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844 Psychische Studien. XLIII. Jahrgang. 8. Heft. August 1916)
Haus zur Ruhe gelegt hatte, fing die Aufregung bei der 7 Jahre
alten Emma an. Diese schreckte immer zusammen, weinte und
redete unsinniges Zeug. Sie erklärte, daß sie grüne Ohren, grüne
Augen usw. habe. Weiter ereignete sich in dieser Nacht nichts,
und auch die Aufregung der Kinder soll hier nicht als eine ungewöhnliche
Erscheinung angeführt sein, sondern nur im Interesse
einer lückenlosen Darstellung der ganzen merkwürdigen Periode.
In der Zeit vom 3. bis zum 5. Mai nahmen die Erscheinungen
rasch ab, man fand nur ab und zu ein Stück Vieh losgebunden.
Sonst ereignete sich nichts von Belang. Vom 6. Mai ab trat vollständige
Ruhe ein, die bis zum 13. Mai nachmittags um 5 Uhr anhielt
. An diesem Tag begannen die Erscheinungen aufs neue und
nahmen in den folgenden Tagen eine solche Heftigkeit und Aus-
dehnung an, daß sie schließlich zu einem Menschenauflauf führten,
welcher den Anlaß zu den im „Hohenst." bereits erwähnten Preßnotizen
in den Backnanger Lokalblättern gab. Im folgenden Abschnitt
sollen diese Vorkommnisse geschildert sein.
Am Samstag den 13. Mai abends um 5 Uhr geriet ein auf
dem Herd liegendes Holzscheit plötzlich in selbständige Bewegung.
Es lief auf dem Herd hin und her und fing an, von einem Ort
zum andern zu fliegen. Im Verlauf dieser seltsamen und unheimlichen
Erscheinung kam ein herzhafter Bauer aus einem Nachbardorf
ins Haus und sah sich den Spuk mit an. Er ging auf das
Holzstück los, erfaßte es und warf es durchs Küchenfenster weit
in den Hof hinunter. Doch kaum hatte er sich umgedreht, so
war das Holzscheitchen auch schon wieder in der Küche, ohne
daß man sah, wie es hereinkam. Der betreffende Bauer warf es
noch mehrmals aus dem Haus, aber im Umsehen war es immer
wieder da. Es flog auch aus der Küche in den Öhrn, von dem
Öhren auf die Bühne und kam von dort wieder in die Küche
zurück. Dieses Schauspiel dauerte etwa 2 Stunden. Später gesellte
sich zu dem Holzscheitchen auch noch ein Holzstumpen
und machte ebenfalls seine Flüge in der Küche. Als endlich die
Holzscheitchen zur Ruhe gekommen waren, wurden die Milchhäfen
unruhig. Im Laufe des Abends flogen etwa 5 Milchhäfen
von ihrem Aufstellungsort herunter, gössen ihren Inhalt aus und
zerschellten auf dem Boden. Während der Nacht trat wieder
Ruhe ein, die auch den folgenden Sonntag*über anhielt. Am
Morgen des 15. Mai ging das Kettenlösen im Stall wieder an wie
am 30. April und 1. Mai. Es dauerte den ganzen Tag mit wenigen
Pausen. Von vormittags 11 Uhr ab wurde es auch im Haus unruhig
. Die Erscheinungen gingen also von diesem Zeitpunkt an
im Stalle und Haus nebeneinander her. Während sich im Stall
die Ketten in der bereits geschilderten Weise lösten, gesellten sich
auch Würfe und Schläge hinzu. Diese Erscheinungen zeigten
üch auch im Wohnhaus, doch nahmen sie dort die allergröbsten
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