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378 Psychische Studien. XLIII. Jahrg. 8. Heft (August 1916)
unmöglich, der Gesamtheit jener Zusammenhänge ein qualitatives
Kennzeichen abzugewinnen (197). Aber das ist doch nur ein
wunderliches Mißverständnis. Denn wenn ich von der Welt sage,
daß alle ihre Teile in funktionellem Zusammenhange miteinander
stehen, dann sage ich eben damit doch von der Welt als Ganzem
aus, daß sie ein funktionell zusammenhängendes Ganzes sei. Und
wenn ich allen Teilen des Alls räumliche und zeitliche Eigenschaften
zuschreibe, dann bezeichne ich — trotz aller Verwahrungen
Petzolds (208) — eben damit Räumlichkeit und Zeitlichkeit
auch als Eigenschaften oder Daseinsformen des Alls: ohne
daß ich damit (wie Petzold meint) die unsinnige Frage erhebe:
wo (in welchem zweiten außerweltlichen Räume) und wann (in
welcher zweiten außerweltlichen Zeit) nun das All als solches zu
suchen sei. —
Gewisse allgemeine Aussagen lassen sich also doch über die
Welt als Ganzes machen. Ia, sie werden, im Widerspruch mit
seinem Verbot, auch von Petzold gemacht. Und aus diesen
gemeinsamen Eigenschaften oder Merkmalen der Welt oder ihrer
sämtlichen Teile können wir mit der nötigen Vorsicht auch Schlüsse
auf die Beschaffenheit des all-einen Weltgrundes machen, ohne
gegen den Grundsatz der Relativität aller Erkenntnis zu verstoßen.
Denn wir wollen ja dieses all-eine, der Welt zugrunde liegende
Wesen, das wir als die absolute Substanz bezeichnen,
nicht in seinem ruhenden, beziehungslosen Sein oder seiner reinen
Wesenheit erkennen. Wir wollen es nicht so erkennen, wie es an
und für sich, abgesehen von allen seinen Beziehungen zur Welt ist
oder sein mag, sondern wir wollen es nur so erkennen, wie es sich
als das Wesen der Welt in dieser als seiner Erscheinung offenbart.
Und in Wahrheit läßt sich ja auch beides gar nicht voneinander
trennen. Wie der Begriff „Gott** in seiner Beziehung zur Welt,
so haftet der des „Wesens** an seiner Beziehung zur „Erscheinung**.
Und der des Absoluten an seiner Beziehung zum Relativen. „Wenn
wir vom Absoluten reden, so reden wir schon von ihm in seiner Beziehung
zum Relativen, also eigentlich von einem Nichtabsoluten.
Das Absolute ist selbst nur eine Kategorie des beziehenden
Denkens: ein relativer Begriff, der nur in seiner negativen Relation
auf das Relative seinen Inhalt hat. Alles, wovon wir reden und
worüber wir denken können, ist schon ein Beliehungsvolles, Relatives
. Und alles Sein ist Bezogensein: selbst das Übersein des
Absoluten, das über das (natürliche) Dasein und das Bewußtsein
hinausliegt, aber eben darin sein Sein hat, daß es über und hinter
diesen, d. h. zu ihnen in Beziehung ist.**9)
So laufen alle Einwände Petzolds gegen den Begriff der
absoluten Substanz, bei Lichte besehen, auf lauter Mißverständ-
9) Ed. von Hartmann: Kategorienlebre. S. 178.
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