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Schachen: Zur Kritik des Positivismus
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nisse und dogmatische Vorurteile hinaus. Man muß sich nur
hüten, die Substanz als „die wahre Realität" zu bezeichnen oder
ihr allein „wahre Wirklichkeit" zuzuschreiben, wie es namentlich
von theologischer und neukantischer Seite gern getan wird. Denn
die Realität fällt in Wahrheit ganz auf die Seite des natürlichen
Daseins und Wirkens (Wirklichkeit = Wirksamkeit), aber
nicht auf die Seite des übernatürlichen Weltgrundes. Sie gehört
zu der objektiven, in Raum und Zeit daseienden Erscheinung des
all -einen Wesens, aber nicht zu diesem selbst. Die Substanz
ist nur der überseiende Grund, das all-eine, beharrende Subjekt
oder der übersinnliche Träger der Wirklichkeit (= Wirksamkeit).
Eines solchen Trägers aber können wir nun einmal nicht entbehren
. „Wir können uns keine Tätigkeit denken ohne ein
Tätiges, das sich in ihr betätigt." Und wir können — trotz
P e t z o I d — auch die Vorstellung einer letzten, nur in sich
selbst beharrenden Einheit nicht entbehren.
„Wir müssen notwendig hinter allem Wechsel etwas Dauerndes
, hinter allem Veränderlichen ein Unveränderliches, hinter allem
Vergänglichen etwas Unvergängliches annehmen. Wir müssen
das vielheitlich in sich gespaltene, wandelbare Sein in Gedanken
auf den einheitlichen Grund eines unwandelbaren Wesens aufheften
, wenn wir nicht bei der Vielheit selber als einem letzten
unbegreiflichen Schein stehen bleiben und auf jedes Verständnis
ihres inneren Zusammenhanges verzichten wollen."1») Und wenn
wir erkennen, wie alle natürlichen Vorgänge im Großen wie im
Kleinen immer wieder die beiden untrennbar zusammengehörigen,
nur von unserem begrifflichen Denken unterschiedenen Seiten der
thelisch-dynamischen Realisation (= Wollen oder Kraftäußerung)
und der logisch-ideellen Bestimmtheit <= Gesetzmäßigkeit) auf-
weisen, so dürfen wir das in ihnen allen sich offenbarende und beharrende
all-eine Wesen der Welt wohl unbedenklich als vernünftigen
Allwillen oder unbewußt-überbewußt schaffenden Allgeist
bestimmen: wobei wir natürlich gern zugeben, daß wir mit
unserem bewußten begrifflichen Denken uns von diesem unbewußt-
überbewußten Schaffen des Allgeistes und seiner intuitiven, ineins-
fassenden, schauend-schaffenden und schaffend-schauenden Wirkungsweise
nur eine ganz unzulängliche Vorstellung machen
können.
Jedenfalls aber müssen wir den naivrealistischen
Positivismus Machs und Petzolds als eine durchaus rückständige
, unkritische/ dogmatisch beschränkte, verworrene und
widerspruchsvolle Weltanschauung unbedingt ablehnen und gegen
io) Vergl. meinen Aufsatz , Monismus und Dualismus* in dem
von Arthur Drews herausgegebenen Sammelwerke: Der Monismus
* B. I. Ferner: Ed. von Hartmann: „Kategorienlehre*. S. 520 f.
„Grundriß der Metaphysik*. S. 37—79.
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