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404 Psychische Studien. XLIII. Jahrg. 9.-10. Heft. (Sept.-Okt. 1916)
Sie hatten es von den Pelasgern übernommen. Das berühmteste
aber war das zu Delphi, das dem Apollo geweiht war.
Es gab in Griechenland 22 Orakel des Apollo, 2 des Jupiter
und je 1 Orakel des Merkur, der Ceres, der Juno Aerea, des
Pluto, der Proserpina und der Ino. Ferner gab es Orakel der
Halbgötter oder Dämonen Amphilochus, Amphiaraus, Aeskulap,
Calchas, Herkules und der Pasiphae. In verschiedenen Orakeln
erteilten die Geister von Verstorbenen die Antworten; so war eins
in Thessalien und eins in der Höhle zu Heraklea.
Bei einigen Orakeln wendete man das „Schauen im Wasser"
an. So sah man in einem Brunnen die Antwort auf alle Fragen im
Tempel des Apollo zu Telmessos. Nach Varro erschaute ein Kind
in einem Wassergefäße den Ausgang des Mithridatischen Krieges.
Andere Orakel waren Traumorakel, so das des Amphiaraus
bei Potniae und in Oropus, das der Pasiphae zu Talamia und das
des Calchas in Daunia. Der Krankenheilung waren die Orakel des
Aeskulap gewidmet. Im Tempel der Dei Soteres zu Lebedos erschienen
diese den Kranken im Traum. Einen ähnlichen Tempel
gab es in Sardinien. Im Tempel der Ino bei Talamae erhielten die
im Tempel Schlafenden Eingebungen von der Göttin.
Den eingeschläferten Kranken erschien die Göttin Emitea und
gab ihnen Heilmittel an. Selbst „Unheilbare** wurden durch sie
wieder gesund. So berichtet Diodorus Siculus. Dasselbe sagt
Pausanias vom Tempel des Aeskulap bei Titorea.
Auch von der Isis behaupteten die ägyptischen Priester, daß
sie Kranken im Schlafe ihre Heilweise eingebe. Dadurch wurden
selbst solche geheilt, die man bereits verloren gab.
Galienus berichtet, daß im Tempel des Vulkan bei Memphis
Kranke durch Träume geheilt wurden.
Wenn man das Traumorakel befragen wollte, opferte man
einen Widder und legte sich auf dessen Fell zum Schlafe nieder.
Drei Tage vorher durfte man keinen Wein trinken und einen Tag
lang mußte man fasten.
Jamblichus sagt vom Tempel des Aeskulap, daß darin Kranke
durch Heilträume wieder gesundeten. Sie hören in Zwischenräumen
eine Stimme, die ihnen sagt, was sie tun sollen. Häufig
erklingt diese Stimme ihnen im Ohre in einem Zustande zwischen
Wachen und Schlaf, Einige Kranke fühlen sich von einem Lufthauch
eingehüllt, den sie nicht sehen konnten. Häufig sehen sie
ein feines, glänzendes Schimmern um sich, das sie zwingt, die
Augen halb zu schließen. Das waren die göttlichen Träume, die
zwischen Wachen und Schlaf sich einstellten. Mark Aurel schreibt,
daß Aeskulap anordnete, tüchtig zu reiten, sich mit kaltem Wasser
zu übergießen und barfuß zu gehen. Er selbst wäre von Blutstürzen
und Schwindelanfällen durch Heilträume geheilt worden.
Dafür sprach er den Göttern seinen Dank aus.
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