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Grävell: Besessenheit
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emporgehobenen Köpfen hüpften und ihn so zu sagen zu verspotten
schienen: da schoß ein himmlisches Wesen wie ein Blitz
von oben herab und schlug mit einem gewaltigen Schwertstreich
das Haupt der einen ab, das ganze Meer, an dem sich die Szene
abspielte, war gerötet von ihrem Blute, die andere entkam.*)
Sieht man den Astralkörper zum ersten Male, so erscheint
er einem als Schlange oder Drache, der Ätherkörper als Hund.
[Ich hatte dies einmal einem bekannten Theosophen geschrieben*
aber er verstand es so, daß er meinte, ich sagte, der Astralkörper
wäre ein Drache, während es doch einen großen Unterschied
macht, ob man meintt man sieht etwas als Schlange, oder es ist
eine. Man kann bei psychischen Untersuchungen gar nicht deutlich
und klar genug sein: „Zunächst vorerst Collegium logicum*4!
könnte man vielen zurufen, die sich mit höheren Dingen wissenschaftlich
beschäftigen wollen, wo sie noch nicht einmal logisch
denken können. Auf der anderen Seite schützt das logische und
scharfe I enken nicht vor Irrtümern; man muß auch pragmatischorganisch
auffassen können und mehr noch — unter dem Einfluß
der Liebe stehen.] Die Schlange mit dem Menschenkopf („der
Teufel" vom Volk genannt), spielt in den Skulpturen mittelalterlicher
Kirchen eine große Rolle. Mir erzählte einmal eine
Freundin aus Schweden, daß sie mit einem vornehmen jungen
Manne verlobt war, dessen Charakter aber nicht der beste gewesen
zu sein scheint. Einmal saß sie harmlos neben ihm, stieß
dann aber zu seinem Erstaunen einen furchtbaren Schrei aus und
lief entsetzt weg: sie sah an seiner Stelle eine große Schlange mit
einem sehr schönen Menschenkopf. (Sie war hellsehend.) Ich
bin davon überzeugt, daß sie sein Inneres sah, das offenbar falsch
war. Sie haben sich dann auch nach ihrer Verheiratung bald
wieder getrennt.
Sie erklärte mir den Fall so, daß ein anderer Mann ihr
gleichzeitig nachgestellt habe, dessen Kopf die Schlange un-
gefähr gehabt habe. Aber mir scheint, es ist etwa so gewesen
: um die Seele ihres Verlobten war die giftige Schlange
des Bösen und gleichzeitig sah sie in ihrem Geiste die Nachstellungen
des anderen. Ähnlich wie bei spiritistischen Sitzungen
mischte sich nun die Aura (die Astralmaterie), die sie von dem
Nachsteller in sich spürte oder die sie als eine Begierde um
sich manifestiert fühlte, mit der anderen Vorstellung von ihrem
Bräutigam.
Oft konnte man solche Combinationen feststellen, die
manches Geisterbild erklären, das sonst schwer begreiflich ist.
Man denke an die vielen hellsehenden Nonnen des Mittelalters,
die Gesichte hatten, vor allem an Francesca Romana, die be-
*) Das war doch wohl eine sog. Halluzination? — Bed.
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