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Falkeisen: Das Jenseits und die christliche Hoffnung. 423
öfter und ausführlich von der Hoffnung auf die Auferstehung,
doch läßt sich darüber streiten, ob er damit nur die Weiterexistenz
des meschlichen Geistwesens gemeint, oder ob er sich für
die „Gläubigen" eine besondere Art ihres Zustandes im Jenseits
unter der „Auferstehung" gedacht habe. Man kann ihm den Vorwurf
einer gewissen Unklarheit in dieser Hinsicht nicht ganz ersparen
. Klar ist nur das Eine, daß er nirgends von den „Lebensbedingungen
" und Zuständen im andern Leben redet, sondern sich
nur für die Fortexistenz der Verstorbenen wehrt. Nirgends taucht
die Frage auf, wie wohl die Daseins-Möglichkeiten im andern
Lande sein möchten und zwar deshalb, weil das Fortleben nach
dem Tode, das mit der „Auferstehung" beginnen soll, immer mit
einer ganz andern, von ihr verschiedenen Vorstellung im Zusammenhange
steht, nämlich mit dem Wiederkommen Christi
zum Weltgericht und zur Vereinigung mit den noch auf Erden
lebenden Gläubigen. Auf diese baldige Wiederkunft ihres Herrn
richtete sich so sein das Gemüt der ersten Christen, daß sie alles
andere ganz und gar darüber aus den Augen verloren. Es gab ja
z, B. in der Gemeinde zu Thessalonich manche, die sich die
Wiederkunft ihres Herrn so nahe dachten, daß sie es gar nicht
mehr der Mühe wert fanden, ihrer gewohnten Arbeit nachzugehen,
weil alle irdischen Verhältnisse sich ja doch bald ändern würden.
Wenn der König des Himmels mit seinen himmlischen Heerscharen
aus der Unsichtbarkeit in die Sichtbarkeit hereinkäme, so
würde dadurch das unsichtbare jenseitige Leben in kürzester Frist
offenbar, deswegen war die Trage nach seiner Beschaffenheit ganz
überflüssig! Diese Spannung auf die Wiederkunft Christi hielt
ziemlich lange an, obschon man bald einsehen mußte, daß s*ch
die Hoffnung auf sie nicht so rasch erfüllen werde. — Das ist die
wahre Ursache des Schweigens der neutestamentlichen Schriften
über das andere Leben. Sie liegt in den Verhältnissen jener Zeit,
oder besser gesagt, in einem damals herrschenden Irrtum und
keineswegs etwa in einer Art „göttlichem" Dekret, oder in einem
Verschließen des Zuganges zu der jenseitigen Welt, wie manche
anzunehmen belieben. Für das Geschlecht unserer Tage, das sich
von diesen Irrtümern früherer Zeiten befreit hat, — obschon es ja
ganze Schichten in unsern christlichen Kreisen gibt, bei denen dies
auch heute noch nicht der Fall ist —, liegen nun die Dinge ganz
anders, und was damals als etwas ganz Nebensächliches erschien,
das ist für uns heute naturgemäß zu einer äußerst wichtigen Frage
geworden, zu einer Frage» die wir unbedingt lösen müssen, wenn
wir auf dem Wege, den wir als Christen zu gehen haben, überhaupt
weiter kommen sollen!
Trotzdem würde es der Prediger, dessen Ausspruch ich weiter
oben zitierte, geradezu für ein Unglück halten, wenn das „Tor der
andern Welt" sich öffnete. Wir stellen die Fragen Was könnte
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