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460 Psychische {Studien. XLIII. Jahrg. 9.-10. Heft) Sept.-Okt. 1916.)
Sitzung mit ihr beigewohnt, so daß seine Verdächtigung nicht als
„Entlarvung" bezeichnet werden dürfte. Für die Echtheit der vom
Verf. berichteten Phänomene tritt eine ganze Reihe hochachtbarer,
mit Namen genannter Personen ein; verschiedene Entlarvun^s-
versuche von Zeitungsberichterstattern blieben stets resultatlos.
Verf., der sein fesselndes Buch mit einem hoffnnngsvollen Ausblick
auf die Zukunft der spiritistischen Glaubenslehre schließt, dürfte
allen überzeugten Spiritisten mit diesem Werkchen eine Freude
bereitet haben. Fritz Freimar.
Carl Becker, Eeligion in Vergangenheit und Zukunft. 227 S. Hugo
Steinitz, Verlag, 1915. Berlin S. W. 68. —
Verf., der sich auf religionsphilosophischem Gebiet bereits
durch seine im gleichen Verlage erschienenen Schrif en: „Die moderne
Weltanschauung* und „Vom geistigen Leben und Schaffen*
vorteilhaft bekannt gemacht hat, führt in der Einleitung dieses
wertvollen Buches aus, daß die religiöse Lage der Gegenwart eine
Spannung und eine Schärfe der Gegensätze zeigt, wie sie die Menschheit
seit Jahrtausenden nicht mehr erlebt hat. Die Beformation
vollzog sich vollständig im Rahmen des Christentums: sie hielt an
dessen Grundanschauungen fest und war nur, bestrebt, es in derjenigen
Gestalt neu zu beleben, die sie für die allein wahre hielt. Auch
das Christentum selbst erscheint dem unbefangenen Geschichtsforscher
lediglich als eine Ref ormierung des Judentums, dessen spiritualistische
Vorstellungen auf Grund der monotheistischen Idee die Urlehre
Jesu mit neuem Geist erfüllte. Viel tiefer greifen die Fragen und
Gegensätze, die uns heute beschäftigen. Der Zweck dieses Buches
ist nun, den richtigen Weg zu zeigen, den der tiefer veranlagte
Mensch aus dem Labyrinth der erstorbenen alten Formen sucht.
Erstens betrachtet der Verf. dabei die geschichtlichen Gestaltungen
des religiösen Lebens auf die Fragen hin: was war der Sinn und das
Wesen aller Religionen und welche Stellung haben die bisherigen
Religionen im geistigen Leben der Menschheit eingenommen?
Zweitens: welche Bedeutung kann den bisher, namentlich vom
Christentum, geschaffenen Begriffen und Vorstellungen für die Gegenwart
noch zukommen? Drittens wird der Trieb zur Religion vom
seelischen Leben des Menschen aus auf die zwei Fragen hin betrachtet
: was hat die Menschen aller Zeiten und Völker alle, auch
ohne daß sie sich gegenseitig beeinflußten, zur Religion, bezw. zum
Glauben an höhere, bezw. ein allerhöchstes Wesen als Weltprinzip
feführt und was ist das wahre Wesen aller von der menschlichen
hantasie geschaffenen Gottheiten? Was war es, was der Mensch
sich dachte, wenn er sich eine Gottheit vorstellte? Wir kommen
so auf geschichtlichem Weg und durch philosophisches Tiefergraben
zu der Erkenntnis, daß der Trieb zur Religion auf einer ursprünglichen
und unverlierbaren Eigenschaft des Menschen beruht und
daß die auch in unseren Tagen, zumal in der gewaltigen Umgestaltung
aller irdischen Verhältnisse durch den Weltkrieg noch immer rege,
ja erstarkte Fortwirkung dieses Triebes eine- elementaren inneren
Notwendigkeit entspringt. So erkennen wir, daß jene höhere
göttliche Macht, die nach der Anschauung der bisherigen Religionen
dem Menschen seelische Kraft und Hüte aus einer höheren jenseitigen
Welt spendete, hinter dem Schleier der volkstümlichen
Gottesvorstellungen noch immer besteht und — wenn auch frei von
jedem kirchlichen Dogma—stets bestehen wird, so lange es denkende
und edier fühlende Menschen auf Erden gibt. So zeigt sich uns
dann ganz von selbst der Weg, auf welchem wir die neue Religion,
Fritz Freimar.
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