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Iiiig: Lebt die Seele nach dem Tode fort ?
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Vorgang, den wir Tod nennen, ins Form- und Bewußtseinslose
auflöse? Wir wollen diese Kraftform einmal Seele nennen, um
zu einer einfacheren Ausdrucksweise zu kommen.
Der Inhalt der Seele setzt sich aus Vorstellungen, Gedanken
und Gefühlen zusammen. Was Gedanken, Gefühle und Vorstellungen
ihrem Wesen nach sind, wissen wir nicht. Wir können
nur sagen, wie sie uns erscheinen, wenn sie in uns sind, und welche
Wirkungen und Veränderungen sie in uns hervorrufen. Vor noch
nicht allzulanger Zeit ging die allgemeine Ansicht dahin, daß sie
in uns selbst erzeugt werden. Die meisten meinten, daß sie in
unserem Hirn erzeugt werden, ans Hirn gebunden bleiben und mit
dem Hirn zugrunde gehen. Andere meinten, daß sie in unserem
„Geist*4 oder in unserer „Seele** erzeugt werden, von denen sie
nichts weiter auszusagen wußten, als daß sie nicht Körper, also
auch nicht das Hirn seien. Heute ist man zu einer wesentlich
andern Anschauung gekommen, von der man sagen kann, daß sie
von den meisten Seclenforschern geteilt wird, namentlich von
solchen, die über eine genügende Erfahrung verfügen. Sie haben
sich von der Möglichkeit der Gedankenübertragung überzeugt und
wissen also, daß Gedanken, Gefühle und Vorstellungen Dinge oder
Erscheinungen sind, die auch aus dem Menschen heraustreten und
unter Umständen weite Räume überschreiten können, um irgendwo
in der Nähe oder Ferne wieder aufgefangen zu werden. Zahlreiche
Beispiele hiervon sind bereits in wissenschaftlichen Zeitschriften
und Werken zusammengetragen worden, und sie sind
von solcher Beweiskraft, daß selbst ein Gelehrter wie Ostwald ihre
Tatsächlichkeit nicht mehr bestreitet. Der Verfasser dieser Abhandlung
hat früher schon in diesem Blatte seine Erfahrungen
mit dem Gedankenleser Bellini mitgeteilt, der auf jeden Gedanken
so rasch und sicher reagierte, wie ein Kompaß auf die Bewegungen
eines in seine Nähe gebrachten Magnets. Was folgt
daraus? Antwort: Daß wir nicht mit Sicherheit sagen können,
inwieweit unsere Gedanken und Gefühle unser eigenes Erzeugnis
oder von außen kommende Erregungen sind. Dieser Zweifel gilt
nicht bloß für die Zeit unserer Aktivität, sondern ganz besonders
für die Zeit unserer Passivität in der Ruhe und im Schlafe, welch
letztere für das Empfangen besonders günstig ist. Das Kaleidoskopartige
unserer Träume mag — zum Teile wenigstens — durch
solche von außen kommende, sich schneidende und durchquerende
Gedankenwellen veranlaßt sein. Was sind nun aber die
Gedanken in ihrem Wesen, als „Ding an sich**, wenn sie außer
uns sind? Und woher kommen sie? Gibt es vielleicht sogar ein
Reservoir, aus dem sie fließen? Das alles wissen wir nicht. Wir
wissen nur, daß es außerordentliche (krankhafte, somnambule)
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