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Dobberkau: Zur Geschichte des Spiritismus.
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Daß es ein wahrer Gott sei, bewiese er dadurch, daß er ihm
niemals etwas Falsches gesagt habe.
Piaton läßt Sokrates sagen, daß sein „kleiner Dämon" solche
zurückstoße, die von ihm nichts lernen könnten. Gegen andere verhalte
er sich gleichgültig; sie lernten aber auch von Sokrates nichts
Besonderes. Die der Dämon bevorzuge, die machen rasch gute
Fortschritte. Bei den einen sind sie bleibend, bei den anderen
dauern sie nur so lange an, wie sie bei Sokrates bleiben und von
ihm lernen. Darnach kehren sie zu ihrer früheren Denkweise und
Bildungsstufe zurück.
So sagte Aristides, daß er von Sokrates lerne, auch wenn
er nur im selben Hause mit ihm wäre. Am meisten lerne er
jedoch, wenn er bei ihm säße und ihn berührte. Als er fern von
Sokrates war, fühlte er sich so unwissend, daß er den Umgang
mit Gebildeten mied, den er vorher suchte und dem er gewachsen
war.
So sehr bestimmte also der „Dämon" den Wert des Umganges
mit Sokrates!
Was uns bei anderen Menschen als instinktive Abneigung
oder Zuneigung entgegentritt, das offenbarte sich bei Sokrates als
klare, unzweideutige innere Stimme.
Nach Plutarch glaubte Sokrates solchen nicht, die vorgaben,
die Gottheit gesehen zu haben. Dagegen glaubte er solchen, die
göttliche Stimmen gehört haben wollten. Dies läßt vermuten,
daß auch er seine innere Stimme hörte. Putarch vergleicht sie
mit den Stimmen, die im Tempelschlafe sich kundgeben. Es sind
keine wirklichen Stimmen und doch machen sie auf den Schläfer
den Eindruck der Wirklichkeit. Doch sagt Piaton, daß sich
seinem Lehrer Sokrates der Dämon in verschiedener Art geoffenbart
habe.
Als Piaton sich der kriegerischen Laufbahn widmen wollte,
hatte Sokrates ein Traumgesicht: er sah aus Piatons Brust einen
singenden Schwan hervorkommen. Dies deutete er auf Piatons
Lebensberuf als Dichter-Philosoph und riet ihm vom Kriege ab.
Im Gefängnis träumte Sokrates, eine schöne Frau in weißen
Kleidern komme zu ihm und sage: „0 Sokrates, Du wirst wohl
am dritten Tage in das breitschollige Phthia gelangen!"
Daraus schloß er, daß er am dritten Tage sterben werde.
Und dies erfüllte sich auch.
Im peloponnesischen Kriege war Sokrates sehr tapfer; er
rettete dem verwundeten Alcibiades und Xenophon das Leben.
Vor Potidäa geschah es. daß man Sokrates im Felde fand, starr
in die Sonne sehend und niemand beachtend. So blieb er den
ganzen Tag und die ganze Nacht stehen, gleich einer Bildsäule.
Am Morgen ging er langsam in sein Zelt, schweigend und ohne
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