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488 Psychische Studien. XLIII. Jahrg. 11. Heft (November 1916)
Gebiet der Zauberei, oder genauer um die Ausübung der sog.
schwarzen Magie handelt, wie sie in alter Zeit von besonders
dazu befähigten Leuten „berufsmäßig" betrieben wurde. Der
Hauptzweck, der bei Ausübung der schwarzen Magie verfolgt wird,
ist der, sich mit Hilfe jenseitiger Mächte, oder geheimer Kräfte
irgend welche irdischen Vorteile zu verschaffen, vielfach auch auf
Kosten seines Nebenmenschen. Und unter diesen Zauberern gab
es — wie auch heute noch — oftmals sittlich tiefstehende
Menschen, die von gleichartigen Volksgenossen für ihre selbstsüchtigen
Zwecke benutzt wurden. Auch der „Gottesdienst" der
alten Völker war reichlich mit derartigem „abergläubischem"
Zauberwesen verwoben. Damit soll jedoch keineswegs gesagt
sein, daß es sich dabei um lauter Lug und Trug handelte, im
Gegenteil, diese Leute verstanden ihre Kunst und besaßen übersinnliche
Fähigkeiten. Auch waren nicht alle Mantiker unmoralische
Menschen, sondern es befanden sich gewiß zu allen
Zeiten auch wirkliche Weise und Heilige unter ihnen, die über ein
hohes Wissen und Können verfügten, das uns heute fast ganz abhanden
gekommen ist, und solche gaben sich gewiß nicht für
schlechte Dinge her. Allein diese hochstehenden Geister waren
in der Minderzahl. Es ist nun ein feststehendes Gesetz, daß, wo
magische Künste für selbstsüchtige und für rein irdische Zwecke
angewendet werden, sich auch immer niedrig stehende und darum
schädliche geistige Einflüsse einstellen, die mehr fordern, als sie
geben können und die den Menschen in ihre Gewalt zu bekommen
suchen. Das alles war den Führern des jüdischen Volkes zur
Genüge bekannt und da sie das Bestreben hatten, ihr Volk rein
und frei zu erhalten, so verboten sie ihm jede Berührung mit der
heidnischen Mantik und haben darin ohne Zweifel durchaus zweckmäßig
gehandelt. Allein — obschon sie die Ausübung der
schwarzen Magie verboten, untersagten sie keineswegs die
Ausübung der weißen Magie. Wenn wir uns auf diesem Gebiete
umsehen, so finden wir, daß das jüdische Volk zu allen
Zeiten seine eigenen Seher, Propheten und Magier hatte, es sei
z. B. nur an Samuel, an Elias und Elisa erinnert. Außerdem befand
sich bei dem Heim der gottesdienstlichen Feiern, verbunden
mit dem Amte des obersten Priesters, ein anerkanntes und bleibendes
Mittel zur Ausübung der Gabe des Hellsehens, nämlich das
Brustschildlein des Hohenpriesters, durch welches derselbe auf
allerlei Anfragen Rat erteilen konnte, ganz ähnlich wie die heidnischen
Mantiker. Es ist daraus deutlich zu erkennen, daß durch
diese Einrichtungen die Ausübung der Mantik in geordnete Wege
geleitet und in Hände gelegt werden sollte, bei denen ein Mißbrauch
weniger leicht zu befürchten war. Es war demnach
keineswegs verboten, sich in schwierigen
Fällen übersinnlicher Hilfsmittel zu be-
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