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Lebt die Seele nach dem Tode fort?
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Meinung, daß sein Sohn vor der Haustüre stände, eilte vors
Haus, fand aber niemanden. Darauf ließ er durch seine Frau
sofort Tag und Stunde dieses Erlebnisses im Kalender notieren.
Am 22. Februar bekam der Vater vom Feldwebel die Nachricht,
daß sein Nikolaus am 17. Februar» morgens fünf Uhr, gefallen
sei. Der Herr Referent bezeichnet den alten Winzer als einen
ruhigen, ernsten Mann.
Die Frau eines gefallenen Lehrers, Frau W. in S., schildert
klar und ruhig, wie sie am Nachmittag des 30. Oktober 1914
plötzlich von großer Unruhe und körperlicher Schwäche befallen
worden sei und ihren Gatten mit „geklaffter Brust" an einem
Waldesrande habe liegen sehen. „Er ist in Todesnöten." Am
6. November erhält die Frau, die ihre Empfindungen und Wahrnehmungen
sofort vor Zeugen geäußert hat, die erste Nachricht
von dem Tode ihres Gatten und einige Tage später die eingehendere
Mitteilung: „Am 30. Oktober, nachmittags zwischen
drei und vier Uhr, starb Unteroffizier W. durch einen Granatsplitter
in die Brust im Walde von Ailly den Heldentod".
Diese Fälle sind außerordentlich interessant und wichtig
durch die genaue Feststellung der Talsachen, aber sie genügen
nicht zur Führung des Beweises, der hier geführt werden soll,
weil in beiden Fällen die Möglichkeit besteht, daß die sterbenden
Soldaten ihren letzten Gedanken als Gruß an die Heimat gesandt
haben, wo sie von den für solche Einwirkungen empfänglichen
Angehörigen aufgefangen -wurden. Es soll damit nicht gesagt
werden, daß die Erklärung solcher Fälle durch Gedankenübertragung
die einzig mögliche und darum die richtige ist, aber sie
ist möglich und darum fehlt ihr die einwandfreie Beweiskraft.
Ein exakter und bündiger Beweis kann nur geführt werden, wenn
sichere Fälle bekannt sind, in denen einem Menschen ohne Vermittlung
der bekannten Sinne von außen her ein Wissen wurde,
das zu gleicher Zeit kein Mensch hatte oder haben konnte. Solche
Fälle liegen nun in der Tat in großer Zahl vor und zwar nicht bloß
solche, welche ohne irgendwelches menschliche Zutun, also ungewollt
, ganz von selbst eintraten, sondern auch solche, die in der
Form eines Experiments bewußt hervorgerufen wurden und daher
um so sicherer und verläßlicher sind. Da in der letzten Zeit das
Interesse am Studium derartiger Fragen eine ziemlich weite Verbreitung
erfahren hat, ist es sogar möglich, in der Auswahl der
Beispiele eine sehr lehrreiche systematische Anordnung zu treffen.
Beginnen wir also auf der untersten Stufe, sozusagen mit der
elementaren Form des Hellsehens, auf welche der Gegenstand,
der gesehen oder gefühlt werden soll, der hellsehenden Person
sehr nahe gebracht werden muß und wobei das Gemüt der betreffenden
Person auf die Erwartung der von den Gegenständen
ausgehenden Eindrücke und Bilder eingestellt ist.
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