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Rath: Die Seelenbetätigung der Pflanzen.
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Tüpfeln der Epidermis. So ist bei der Cucurbita Melopepo ein
ganz unscheinbares Kristallstückchen in diese Tüpfel hineingelagert
und dient als reizempfangender Mechanismus. Haber-
1 a n d t hat solche „Simulatoren" auch in den Fühlborsten und
Fühlhaaren vieler Pflanzen nachgewiesen. Am schärfsten ausgeprägt
ist dieser Nervenmechanismus bei der Mimose, wo er ebenfalls
in Fühlborsten zutage tritt. Hier wird es schon dem oberflächlichen
Beobachter klar, daß die einzelnen Zellen des Pflanzenkörpers
durch Plasmafäden verbunden sein müssen. Eine ganze
Anzahl dieser unendlich feinen Kanäle durchsetzt die Zellhäute
und verbindet sie miteinander. Die berührte Mimose senkt nicht
nur die Blattfieder, die „gereizt" wurde — sondern Blatt für
Blatt wird von der erschlaffenden Aufregung ergriffen — und
nicht selten vemnkt die ganze Pflanze in ihren „Schlaf!
Ein junger österreichischer Naturforscher B. N e m e c hat
vor kurzem die verbindenden Zellfäden, die Nerven der Pflanzen,
die sog. „Fibrillen** in besonders starkem Maße in den Wurzelspitzen
der Zwiebel, der Hyazinthe, der Schwertlilie und auch
der Farne und der Kürbisse und manch anderer Pflanzen entdeckt
. Durch diese Fibrillen werden die von außen empfangenen
Berührungen in geringerem und weiterem Kreise (Mimose!) der
Umgebung mitgeteilt und meist tritt nicht dort, wo der Reiz
empfangen wurde, sondern an einer anderen Stelle die Reaktion
darauf ein. Bei den von den Lichtstrahlen getroffenen Schattenpflanzen
der Wälder führt nicht das Blatt, mit seinen Lichtlinsen in
den halbkugelig vorgewölbten Zellen der Blattoberseite, die antwortende
Krümmung aus, sondern der Blattstengel, — jedoch ist
dieser durchaus nicht lichtempfindlich! Die Berberitze mit ihren
außerordentlich reizempfindlichen Staubgefäßen, bewegt nicht nur
jene Zellen, an die das auffliegende Insekt tupft, sondern der
ganze Staubfaden schlägt zu und überschüttet ganz zweckmäßig
das nach Nektar eindringende Insekt mit dem Blütenstaub, damit
es die Fortpflanzung vermittle. Ebenso werden bei den auf den
Tierfang ausgehenden insektenfressenden Pflanzen nicht nur die
Punkte in Aktion gesetzt, wo sich das Insekt niederläßt, sondern
— um ein Beispiel anzuführen — auf dem mit feinempfindlichen
Wimpern besetzten Fangapparat der Drosera, unseres deutschen
Sonnentaus, biegen sich auch allmählich die gar nicht von der
Mücke oder Biene berührten Wimpern mit ihrer klebrigen Ausschwitzung
herüber, um die Gefangenen ganz sicher festzuhalten
und zu bergen. Damit nicht genug, setzen sich auch die übrigen,
auf eigenen Stengeln oft mehrere Zentimeter weit abstehenden
Blüten langsam in Bewegung, um der, die mit der Gefangenen
ihre Fesselversuche vornimmt, noch zu Hilfe zu kommen. Dieser
die ganze Pflanze in Aufregung versetzende Vorgang ist nur vermittelst
der nervenähnlichen Fibrillen möglich —und daß dies so
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