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Bath: Die Seelenbetätigung der Pflanzen.
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nach zielbewußtem Handeln aussehende, bohrende Bewegungen,
durch die es ihm auch gelingt, sich in den Boden einzuwühlen, und
gar sich zwischen hartschalige Samen hineinzuquetschen. Dies
mysteriöse Benehmen hat selbst einen hochbetagten Herrn ewig
in Atem gehalten, und er konnte es nicht begreifen, daß nicht
schon längst eine gänzliche Revolution in der Botanik ausgebrochen
war, obwohl er bereits fünfzig Jahre lang den Flughafer
an sämtliche große botanische Institute Europas sandte. Aber
gerade in diesem Fall beruhen die ganz nach einem zielbewußten
Willen aussehenden Bewegungen des sich in die Erde bohrenden
Hafers nicht auf einer psychischen, sondern rein physischen Fähig-
keit, auf einem toten Mechanismus. Es sind nur passive Bewegungen
, die durch die Hygroskopizität der Granne hervorgerufen
werden und ähnlich verlaufen, wie die des Mechanismus,
der dem Heraus- und Zurückwandern der allbekannten Wettermännchen
aus ihrem Häuschen zugrunde liegt.
Auf rein mechanischen Ursprung sind auch die Bewegungen
zurückzuführen, die beim Öffnen von Staubbeuteln, Früchten oder
Sporenschläuchen bei Pilzen unsere Aufmerksamkeit auf sich
ziehen, — wie auch das Ausstreuen und Fortschleudern von
Samen und Sporen rein mechanisch vor sich geht. Auch bei der
WetterdisleL krümmen sich, wie bei der Granne des Flughafers, die
abgestorbenen Hüllblätter bei feuchter Luft nur infolge dieses in
sie eindringenden Wassergehaltes nach innen und verhindern, dadurch
zufällig das bei solcher Witterung nicht vorteilhafte Ausfliegen
des Samens. Was hier als große Intelligenz der Pflanze
ausgelegt werden könnte, könnte man auch bei dem frommen
Spielzeug der Jerichorose vermuten, da mit dem Öffnen der toten
Rose beim Regen und dem dann erfolgenden Auswerfen des
Samens in den gut angefeuchteten Wüstensand sich ebenfalls so
etwas wie eine zweckbewußte Handlung zu vollziehen scheint.
Diese beiden Beispiele zeigen jedoch vortrefflich, wie einmal durch
bloße QuellungsVorgänge auf die sinnloseste Weise der Welt scg.
„teleologische" Erscheinungen zustande kommen können. Diese
lein passiven Bewegungen erreichen wirklich einmal durch Zufall
etwas, das die Pflanze sehr gut für sich verwerten kann, — und
sie bemüht sich in diesem Falle einfach nicht weiter, da sie kein
Bedürfnis dazu mehr hat. Mit France kann man den Spieß
sogar umdrehen: „Schon darin liegt eine Urteilskraft der Pflanze
ausgedrückt, daß sie keinerlei andere vergebliche Anstrengungen
macht, wenn günstige Umstände anderweitig für die Befriedigung
ihrer Bedürfnisse sorgen.** Das ist aber auch die Ursache, daß
die Pflanze große Entwicklungsmöglichkeiten zur Verfeinerung
ihrer Sinneswerkzeuge und damit ihrer Psyche gänzlich vernachlässigt
hat. So hat sie z. B. eine in ihrer Jugendzeit gemachte
Erfindung fast nie wieder aufgegriffen oder vervollkommnet. Ge-
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