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534 Psychische Studien. XLIII. Jahrg. 12. Heft. (Dezember 1916.)
schob, und in den allgemeinen Siegesjubel mischte sich die sichere
Erkenntnis: In drei Monaten ist der Krieg zu Ende.
Als jedoch der November 1914 keinen Frieden brachte, verstummte
die Freude; die erhofften drei Monate wurden in drei
Jahre umgedichtet; und wenn man augenblicklich mit Zuschauern
jener abendlichen Wolkenbildung spricht, so ist man wohl in der
Hauptsache einig, daß der Krieg drei Jahre dauern werde, aber
es erhebt sich doch die folgende Streitfrage. Die einen behaupten,
die drei Iahre beziehen sich auf die Jahreszahlen 1914, 1915 und
1916, also wird der Krieg bestimmt in diesem Jahre zu Ende sein;
die andern dagegen rechnen vom August 1914 an noch mit drei
vollen Jahren, infolgedessen auch noch mit einem Winterfeldzuge.
Wie dem auch sei, der Friede wird einmal kommen, er wird
kommen mit Gottes Hilfe, durch unser Aushalten in der Heimat,
sowie durch die Tüchtigkeit unseres Heeres und unserer Marine.
IL Abteilung.
Theoretisches und Kritisches.
Negerphilosophie.
Von Ludwig Deinhard, München.
Ob es die Neger-Rasse wohl jemals zu einer Philosophie
bringen wird? Sie sieht nicht darnach aus.
Tatsache ist aber, daß es heutzutage in allen Kulturländern
Menschen gibt, die obwohl sie mit der Neger-Rasse in keinerlei
Berührung stehen, trotzdem einer Negerphilosophie huldigen. Das
ist wenigstens die Meinung des bekannten Berliner Gelehrten Prof.
Dr. Max D e s s o i r. Was für eine Weltanschauung mag das
wohl sein?
Professor Dessoir soll, wie wir hören, in letzter Zeit in der
Wiener „Urania** Vorträge über „Aberglaube und Geheimwissenschaft
in der Gegenwart** gehalten haben. Ein recht anziehendes
Thema. Und er soll dabei auf das — wie die Wiener „Neue freie
Presse" berichtet — „die weitesten Kreise interessierende, ebenso
anregende wie viel umstrittene Thema der theosophischen Weltbetrachtung
gekommen sein, ein Thema, das ihn dann am Schluß
zu obiger Meinungs-Äußerung, verführt hat. „Bei aller Anerkennung
der idealen Gesinnung aus der sie entsprungen ist
— so ungefähr scheint sich Prof. Dessoir ausgedrückt zu haben —
müssen wir die Theosophie als eine Negerphilosophie bezeichnen,
die man gerade in der gegenwärtigen Zeit scharf zurückweisen
muß.*' — Hierauf natürlich allgemeine Heiterkeit. Was Dessoir
damit sagen wollte, liegt auf der Hand: eine Philosophie für un-
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