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Gieseking : Rätselhafte Erlebnisse
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Nein, mehr bewegt die forschende Seele nicht,
Als „Übersi nnliches", das sich vor uns enthüllet:
Der Schleier fällt und überall wird Licht —
Und bald nicht mehr von Rätseln ist die Welt erfüllet!
Stuttgart. Richard Schmelcher.
Rätselhafte Erlebnisse
aus der eigenen Familie berichtet uns (dat. Münster, Westfalen,
4. Dez. 16) Herr C. M. Gieseking, Inhaber eines „Psychoanalytischen
Instituts" für Psychoanalyse - Psychographologie -
Psychopädagogik-Psychotheraphie, wie folgt:
„In den „Psych. Studien" fand ich mal irgendwo den Hinweis
, daß Sie gerne einschlägige Erlebnisse aus dem übersinnlichen
Gebiet entgegennahmen.
Schon in meiner elterlichen und großelterlichen Familie ereigneten
sich sehr viele Erscheinungen, „von denen sich unsere
Schulweisheit nichts träumen läßt". Mir selbst sind zwar selbsterlebte
psychische Phänomene nicht fremd, aber immerhin weit
seltener wie bei näheren Angehörigen. Von meiner einen lebenden
Schwester könnte ich erhebliche „Wunderdinge" berichten, aber
ich bin sehr kritisch veranlagt und traue ihr nicht recht. Meine
zweite Schwester ist diesem Gebiet fast ganz fremd, obschon eine
sehr sensible Natur.
Um aber etwas absolut Sicheres hervorzuheben: Einer meiner
Brüder lebte lange Jahre in Brasilien als Farmer. Er schrieb
regelmäßig mit jedem (damals vierwöchentlichem) Postdampfer.
Ohne daß diese Regelmäßigkeit je unterbrochen war, vernimmt
meine Mutter eines Tages in frühester Morgenstunde wachend im
Bett ein heftiges Klopfen an der Tür. Sie meint, sich getäuscht
zu haben, stutzt aber und horcht gespannt. Da klopft es nochmals
und sie ruft mechanisch „herein", obschon es erst Morgengrauen
und — Schlafzimmer war. Nichts regt sich; resolut, wie
sie war, steht sie auf, nachzusehen und sieht nichts. — Wenigstens
so berichtete sie mir am selben Tage (von Bremen nach Leipzig)
und ich war der Vertraute meiner sehr gewissenhaften Mutter.
Besagte Schwester aber erzählte mir später, ihr habe meine Mutter
gesagt, sie habe beim Hinaussehen aus der Schlafzimmertüre
meinen besagten Bruder vor sich geaehen, auch noch verwundert
gerufen: „O, Dietrich!" Mir gegenüber hatte sie zwar bestimmt
erklärt, „das" habe was Ernstes zu bedeuten, sie hat es aber da
(bei mir) noch nicht mit Dietrich in Zusammenhang gebracht,
wobei es allerdings sehr möglich, daß sie mich absichtlich mit
Einzelheiten verschonen wollte. Kurz darauf langte der Postdampfer
an und — zum ersten Male blieb die Post von D. aus.
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