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Kaindl : Ueber negativen und positiven Eudämonismus. 71
IL Abteilung.
Theoretisches und Kritisches.
Über negativen und positiven Eudämonismus.
Von Alois Kaindl, Linz a. D.
(Fortsetzung von Seite 81.)
Es ist kein bloßer Zufall, daß in unserer Zeit, wo die Selbstsucht
wahre Orgien feiert, auch die lebensverneinende buddhistische
Lehre Indiens bei uns Eingang und Verbreitung fand. Liegt es
nicht nahe, einen gleich egoistischen Lebensmißbrauch und einen
hieraus resultierenden Lebensekel auch bei jenen Völkern vorauszusetzen
, denen wir die „uralte Weisheit" verdanken, und hierin
den eigentlichen Entstehungsgrund solcher lebensverneinender
Doktrinen zü erblicken?
Dieser Ansicht ist Dühring, dessen vortreffliche Ausführungen
hier anzuführen ich mir nicht versagen kann. Derselbe
schreibt „Auf einer gewissen Geistesstufe ist jene Verrücktheit
ausgeschlossen, welche sich in ihrer Mikrogröße einbildet
, Hunderle von Millionen Sonnen auszulöschen, wenn sie
hier auf unserm Erdkügelchen zusammen mit einigen Irrsinnsgenossen
auf den Trieb /um Leben schilt und sich dabei noch
obendrein von tatsächlicher Kasteiung dispensiert. Solche
Schopenhauerliche Maniertheil entstammt, abgesehen von der
Verslandesverrücktheit, jener denkbar selbstsüchtigsten Eitelkeit,
die, um nicht an das eigene Nichts glauben zu müssen, lieber die
ganze reale Welt in wahnwitzigster Weise zum Schein und Nichts
degradiert. In der Tat ist es unsäglich komisch, sich vorstellen
zu sollen, daß Crdenmenschen mit ihrem Tun und Machen oder
Nichtmachen auch über das Dasein oder Nichtdasein der Wesen,
die auf Milliarden von Weltkörpern hausen, praktisch entscheiden
sollen. Aber eine solche Tollheit war nur möglich, nachdem jener
Königsberger Extheologe und Philosophieprofessor Kant die
Leugnung der realistischen Welt, unter Vorwand einer Scheinmoral
, wahnverschrobenst zugespitzt und allen Verstand durch
seine Skepsis und Sophistik zu ruinieren versucht hatte. Der in
den Künsten der Fntellektuaille*) unerfahrene Schopenhauer geriet
darauf, sowie überhaupt auf den weltgeschichtlichen Piloso-
phatsch, hinein und wurde so gehindert, sein angeborenes Stück
Wahrheitssinn gehörig zu verwerten.**-----„Die Buddhisterei
M) „Personalst und Emanzipator* 353, 1916 Januar, Düh-
rings Verlag Nowawes b. Potsdam.
*) Solch ungeheuerliche Wortbildungen - ganz abgesehen von
der Masse leicht entbehrlicher Fremdwörter — sind für unsern Geschmack
geradezu widerlich. - Red.
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