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84 Psychische Studie«. XLIV. Jahrg. 2. Heft. (Februar 1917).
als die gröbere. Die erstgenannte Eigenschaft macht daher den Träumen
Platz, während der Körper noch schläft. Einem solchen Traum
eine Bedeutung irgendwelcher Art zuzulegen, ist daher Unsinn.
Andere sagen, daß der Traum einen gewissen Zustand des Organismus
ausspreche, oder Gefühle eines Bedürfnisses, geheime
Wünsche, Begierden und Leidenschaften; es können aber unter
Umständen auch reine Tätigkeiten der Seele sein so z. B. Gedanken
über Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft. Jedes
Traumbild, und sei es noch so unsinnig, drücke stets einen klaren
Gedanken des Träumenden aus. Für die Zukunft haben die
Träunle keine Bedeutung. Das sind zwei Theorien; der Vollständigkeit
halber lasse ich auch noch die dritte, die ein Ausländer
*) aufstellte, folgen. Derselbe sagt: Jeder Traum hat für
die Zukunft Bedeutung, wir sind nur nicht m der Lage, die
Traumbilder auszudeuten.
Die angeführten drei Iheorien widersprechen sich; wie weit
jede indessen ihre Existenzberechtigung hat, soll später gezeigt
werden, und zwar an einem Iraumbeispiel. Wir kommen nun zu
den verschiedenen Arten der Traume, wobei man deren sechs
unterscheidet, nämlich: 1. Reflexionsträume, 2. Reproduktionstraume
, 3. Hellseherische Träume, 4. Telepathische Träume,
5.Vedorische Träume1)» 6. Substile Träume.1) Es ist dabei zu bemerken
, daß außer den unter 2, 3 und 4 genannten Träumen
niemals ein Tiaum allein auftritt, sondern stets mit anderen
Träumen zusammen. Reflexionsträume sind solche Träume, die
ein Erlebnis, welches aui uns Eindruck gemacht hat, widerspiegeln.
Es können das auch reflexive Strömungen der Seele sein, 7. B.
Gedanken über dies* oder jene Angelegenheit. Es vergehen oftmals
Jahre, ehe man Erlebtes im Traume wieder vor sich sieht.
Wie dieses vor sich geht, ist noch nicht genügend geklärt.
Asturel meint, daß jedes Ereignis durch das Auge in gewisser
W7eise pholographiert wird, das Auge ist die Linse und das Gehirn
die Aul nahmeplatte. Durch irgendwelche, uns noch völlig unbekannte
Bewegungen im Gehirn während des Schlafes, träumen
wir von einer längst vergangenen, vielleicht vergessenen Sache. —
Reproduktionsträume sind künstlich erzeugte Träume. Mancher
Leser wird da wohl ungläubig den Kopf schütteln und eine künstliche
Traumerzeugung für Humbug erklären. Es* sind über diese
Materie viele Bücher erschienen, welche aber meistens auf die
Neugierde der Menschen spekulieren und Anweisungen enthalten,
*) Wer denn ? — Red.
l) „Vedorisch" bedeutet unzusammenhängend oder zum mindesten
im logischen Zusammenhang unterbrochen. „Substil"bedeutet äußeren
Einfluß durch Druck. Töne etc. In der Hauptsache sind mit dieser
Bezeichnung solche Träume gemeint, die durch e ne schlechte Lage
des Körpers während des Schlafes entstehen. (Die Etymologie beider
Ausdrücke bleibt uns unklar. — Red.l
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