Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene, Bibliothek, Frei122-Z5
Aksakov, Aleksandr N. [Begr.]
Psychische Studien: monatliche Zeitschrift vorzüglich der Untersuchung der wenig gekannten Phänomene des Seelenlebens
44. Jahrgang.1917
Seite: 103
(PDF, 154 MB)
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Vogt-Vilseck: Goethe als Lichtforscher

103

Hier haben uns die Väter einen verschlossenen Schrein
überlassen, der ihnen zu gering dünkte, ihn zu öffnen. Doch die
Kinder einer großen Zeit erkennen verständig, was die Alten im
Dünkel verschmähten, und treten dies von ihren Vätern verkannte
Erbe um so freudiger an, als sie damit ihrem größten Geistesfürsten
ein Denkmal setzen, das der Goethebund in Weimar noch
immer nicht ins Auge faßte. Es ist fast unbegreiflich, wie es
kam, daß sich letzterer bis jetzt diese Tat entgehen ließ. Denn
die Goethe'sche Lichtlehre ist des Dichters bedeutendstes Werk,
er selbst stellt sie weit über seine dichterischen Schöpfungen und
hat sie als ein Testament der Nachwelt hinterlassen. Mit inniger
Liebe war Goethe an dieser Arbeit gehangen. In Hunderten von
Briefen und Gesprächen spricht er von diesem, seinem liebsten
Geisteskinde. Sein gan7er Faust ist ein einziges gewaltiges Hohelied
auf Licht und Dunkel, auf Farbe und Licht und seine Begeisterung
, sein Bekennermut, mit dem er für seine Lichtlehre eintritt
, zwingt uns nicht weniger in den Bann seiner Forschungen,
als uns zuletzt die stille Resignation rührt, die er in einem Gespräche
mit Eckermann zum Ausdruck bringt: „Die Irrtümer
meiner Gegner sind seit einem Jahrhundert zu allgemein ver-
breitet, als daß ich auf meinem einsamen Wege hoffen könnte,
noch diesen oder jenen Gefährten zu finden. Ich werde allein
bleiben!" —

Eine Hoffnung nach der andern erfüllte sich nicht. Nur ein
Schimmer letzter Freude wurde dem greisen Forscher wenige Tage
vor seinem Hingange zuteil: als er die Nachricht erhielt, daß
man in Prag seine Farbenlehre „in die übrigen physikalischen
Kapitel" eingeführt habe.

Wie eine Tragik mutet uns dies alles an, wie eine ungeheure
Anklage gegen jene Zeit und ihre Menschen, die wieder einmal
nicht das Licht begriffen, das unter ihnen wohnte.

Und keiner von all den Vielen des Goethebundes hat seither
diese Tragik begriffen? - Hörte man wirklich nicht die bittre
Klage, die zürnende Stimme des sonst so verhimmelten Meisters?
— Fühlte man sich bis heute noch nicht berufen, das monumentalste
Lebenswerk des Weimarer Lichtforschers an die Sonne zu
bringen und damit zu beweisen, daß man den „großen Olympier"
in Wahrheit verstanden hatte? War es so schwer, zu sehen,
welch ein Schicksal hier ein großer Mensch getragen hatte? Begriff
man wirklich nicht die ungeheure Systole, die Goethe's Erscheinung
und seine Lebensarbeit darstellt? Fühlte man nicht,
daß hier eine Diastole zur Auswirkung drängte, um den Menschheilskörper
zu durchbluten und zu neuem Leben, zu neuen Puls-
schlagen anzuregen? Wo blieb seither das große -f-, das das -
in Goethe s unbegriffener Farbenlehre herausfordert? —


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