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Kaindl: Ueber negativen und positiven Eudämonismus. 137
gesandten Erlöser (<jcjT7/()) konnte das Verirrte zurückgeführt und
/uj Wiedervereinigung gebracht werden/*
Vom psychologischen Standpunkt aus hat man unter Ab*
lall \on Gott (oder Sündenfall) die Emanzipation des Oberbewußten
mit seinem Egoismus und intellektuellen Kräften vom
Unterbewußten mit seinem Altruismus und intuitiven, moralischen,
emotionellen und imaginativen Kräften zu verstehen; und unter
Versöhnung mit Gott (oder Erlösung) die Koordination oder
Gleichstellung des Oberbewußten mit dem Unterbewußten und
>hren »espektiven Krähen. Da die Herstellung eines richtigen
Verhältnisses zwischen ober- und unterbewußten Kräften die Disharmonie
in Harmonie auflöst, so ist die Erlösung als eine solche
\on de) Disharmonie aufzufassen. Der Ausdruck „Abfall von
Gott" erscheint insofern gerechtfertigt, &ls das Unterbewußte mit
meinen höheren Kräften gleichsam das Göttliche repräsentiert, und
es das Medium bildet, welches das Individuum mit dem Weltgeist
verbindet: Den „Abfall von Gott^ schildert uns H. Werner
in seinem Buche „Die Schutzgeicter" als psychologische Tatsache
. in einer der christlichen Anschauung entsprechenden Weise, wie
lolgt:
„Der von intuitiven Gefühlen geleitete Mensch der vorhistorischen
Zeit schaute nicht den Schein, sondern das Wesen der
Natur; er sah, was sie ist, nicht was sie scheint, oder wie die
Seherin von Prevorst sagt: ,Er schaute die Well ohne Schleier
und Scheidewand, die sich im Abfall durch die Sünde zwischen
ihm und die Dinge stellte.* Was später nach mühsamen Versuchen
nur geahnt, durch lange Berechnungen höchstens erschlossen
wurde von den Geheimnissen, die im Schöße der Natur
\ erborgen liegen, das erkannte der Geist in seiner ursprünglichen-
göttlichen Naturweisheil ohne Wissenschaft. Was später kaum
demonstrierbar war, das lag klar und offen vor ihm da; was die
tiefste spätere Forschung nur in losen Fragmenten zusammenlügte
, das schaute er unmittelbar als vollendetes Ganzes; was
dem gefallenen Menschen jetzt tiefe Rätsel sind, die Stimme, die
Sprache, die Symbolik der Natur und ihre Zahlenmystik, dessen
Sinn und Bedeutung war ihm von oben gegeben und eingeboren.
Dei Geist in enger Verknüpfung mit dem Göttlichen und dem
Reiche des Gesetzes erkannte mit einem das allgegenwärtige
Wirken des Geistes Gottes wie in sich, so auch in der Natur, verstand
die Schöpfung, und deutete ihr Sein und Wesen, ihre
Krälle. Eigenschaften und Gesetze in ihrem Zusammenhange im
großen und kleinen. Aber der Mensch blieb nicht in diesem Zustande
des Gottesleben, wo er der Mittelpunkt seines Wollens war;
das Einverständnis wurde gestört, und der Mensch, der die Macht
hatte, in Gott oder außer Gott zu leben, entfremdete sich freiwillig
dem Einflüsse von oben. Die Schrift sagt, die Sünde habe
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