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Blumhardt: Die Krankheit der Gottliebin Dittus. 171
ein ärgerliches Aufsehen erregen und so wenig Gutes bisher gestiftet
haben, und da immerhin ein geheimnisvolles und gefährliches
Feld sich hier eröffnete, so konnte ich nicht umhin, in
meinen einsamen Gebeten die Sache dem Herrn zu befehlen, ihn
bittend, doch ja vor allen Torheiten und Verirrungen, in welche
man verwickelt zu werden versucht sein könnte, mich und andere
zu bewahren. Als sich die Sache ernstlicher entwickelte, hielt ich
besondere Gebete und Besprechungen auf meinem Zimmer mit
dem Schultheißen und Mose, und ich kann wohl sagen, daß hierdurch
ein nüchterner Sinn unter uns erhalten wurde, der allein
ein glückliches Ende versprechen konnte/*
Jenes eigentümliche Kränzchen war Blumhardt und seinen
beiden Freunden von großem Segen. „Unvergeßlich," sagt er
hierüber in der Verteidigungsschrift S. 42, „sind mir die heißen
Gebete, die hier diese Männer zu Gott emporschickten, um Weisheit
, Kraft und Hilfe. Wir durchsuchten miteinander die ganze
Heilige Schritt und bestärkten und ermahnten einander, ja nicht
weiter uns gehen zu lassen, als die Schrift uns führe; daß wir
Wunder tun wollten, kam uns nicht entfernt in den Sinn. Tiefbekümmert
aber waren wir, daß der Teufel sollte so viel Macht
noch haben und daß solche von niemand erkannte Satansnetze
über die Menschheit sollten ausgebreitet sein (bezieht sich auf
die nun folgenden Erlebnisse). Unser herzliches Mitleiden betraf
so nicht bloß die arme Person, deren Jammer wir vor uns sahen,
sondern wir jammerten und. seufzten vor Gott über die Millionen,
die von Gott abwichen, in die heimlichen Bande der Zauberei
verstrickt werden; wir beteten, daß Gott doch wenigstens in diesem
Falle uns Sieg geben und den Satan unter unsere Füße treten
wolle.*4
Es vergingen indes Wochen, ehe das Geschrei in der Um-
gegend sich verlor, und viele Fremde kamen das Haus besuchen,
manche wollten auch darin übernachten, um sich von der Wahrheit
des in Umlauf Gekommenen zu überzeugen; allein das Hau*
wurde sorgfältig verwahrt, was dem gegenüberwohnende.n Dortschützen
anempfohlen wurde; und Anfragen bei Blumhardt, wie
einmal von diei katholischen Geistlichen de*" badischen Nachbarschaft
, die etliche Stunden der Nacht in der Stube zubringen
wollten, wies derselbe aufs entschiedenste zurück. Allmählich
wurde es stiller und alles Nachfolgende blieb der Gemeinde unbekannt
, wenn auch einzelne manchmal einiges erhaschten. „Im
übrigen,** sagte er, „erzeigte mir diese Gemeinde, welche eben
doth geistlich gehobener war, als viele andere Gemeinden, in der
langen Kampfeszeit, in der Stille, ohne sich gegen mich zu äußern,
eine ernste, andachtsvolle und erwartungsvolle Teilnahme, was
mir die Ausdauer sehr erleichterte, aber gleichfalls es mir unmöglich
machte, aufzuhören, ohne wirklich fertig zu sein.**
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