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178 Psychische Studien. XLIV. Jahr. 5. Heft. (Mai 19J7.)
Zwischenfällen brach plötzlich mit ganzer Stärke der Zorn und
Unmut der Dämonen los, und es wurden eine Menge Äußerungen
folgender Art vernommen, meist mit heulender und wehklagender
Stimm**: Jetzt ist alles verspielt, jetzt ist alles verraten, du verstörst
uns ganz, der ganze Bund geht auseinander, alles ist aus,
alles kommt in Verwirrung, du bist schuld daran mit deinem
ewigen Beten, du vcrtieibs* uns doch noch. Wehe, wehe, alles
ist x erspielt, unser sind 1067 und derer, die noch leben, sind auch
viele, aber die sollte man warnen, o weh' ihnen, weh', sie sind
\erloien, Gott verschworen, ewig verloren.* Das Gebrüll der
Dämonen, die zuckenden Blitze, die rollenden Donner, das
Plätschern der Regengüsse, der Ernst der Anwesenden, die Gebete
von meiner Seite — sagt Blumhardt —, auf welche die Dämonen
in oben beschriebener Weise ausfuhren —, das alles bildete eine
Szene, die sich kaum wird jemand auf eine der Wirklichkeit entsprechende
Weise vorstellen können. Wenn übrigens die Dämonen
unter anderem äußerten: »Niemand hätte uns vertrieben, nur du
mit deinem ewigen Beten und Anhalten setzest es durch,4 war das
nicht gar./ unerklärlich, denn nicht so leicht würde sich einer so
hingegeben haben, als ich, und sicherlich die am wenigsten, die,
indem ich ehrlich genug bin. auch solche Äußerungen niederzuschreiben
, mich einer hochmütigen Selbsterhebung zeihen
wollen." (Vgl. 1. Sam. 17, 28: „Ich kenne deine Vermessenheil
wohl.")
Blieb auch diese Plage fortan völlig aus, so traten doch bald
immer wieder andere Erscheinungen dämonischer Art ein. Ein
Freund, dem Blumhardt seine Not geklagt hatte, Seminardirektor
Stern in Karlsruhe, machte ihn auf das Wort des Herrn aufmerksam
: „Diese Alt fährt nicht aus, denn durch Beten und Fasten."
Weiteres Nachdenken brachte nun Blumhardt darauf, dem Fasten
mehr Bedeutung zu geben, als man ihm gewöhnlich gibt. — -
(Fortsetzung folgt.)
Ueber Kriegsneurosen.
Von Dr. med. Franz Freudenberg,
(z. Z. Mehlem bei Bonn.)
Es gibt Gegenstände, welche in gleicher Weise den Psycho-
ogen wie den Arzt interessieren. Zu diesen gehören nervöse
Erscheinungen, welche sich im Laufe des gegenwärtigen Krieges
in besonderem Maße gezeigt haben und die man daher mit dem
Sammelnamen „Kriegsneurosen" bezeichnet. Sie bestehen einerseits
in Lähmungen einzelner Muskelgruppen und andererseits in
dauernder Unruhe solcher, also in bald grobschlägiger, bald fein-
schlägiger Zitterbewegung derselben, die bisweilen selbst während
des Schlafes nicht aussetzt. Aber nicht allein die Bewegungs-
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