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Hänig: Der Okkultismus als Band z wisch. Religionu. Wissenschaft. 189
Gründen abzulehnen. Bewiesen ist sie deshalb noch nicht, aber
es liegt uns heute schon in dieser Hinsicht ein so reichhaltiges
Material vor, das besonders durch die Versuche de Rochas' bereichert
worden ist, daß wir vielleicht doch noch einmal zur Klarheit
darüber kommen werden. Auch das Auftreten neuer, sich
für den Aufschwung dss Geisteslebens der Menschheit als fruchtbringend
erweisender Ideen ist nur auf Grund der okkultistischen
Betrachtungsweise des Menschen möglich. Durch unser Unterbewußtsein
, durch das der Mensch im Transzendenten wurzelt,
und im weiteren Sinne durch die in uns schlummernden tibersinnlichen
Organe ist eine solche Ueberleitung wohl als möglich zu
denken. Der Mensch lebt ja gleichzeitig im Diesseits und Jenseits,
wie sich du Prel ausdrückt, und ist daher jenes Mittelglied zwischen
beiden Welten, durdi das solche Ideen in die Sinnenwelt einströmen
können.
So hat also der Okkultismus in der Gegenwart alle Berechtigung
dazu, hoffnungsfreudig in die Zukunft zu schauen. Wenn
er trotzdem noch heute sowohl bei der Wissenschaft als auch bei
der Theologie zumeist eine Ablehnung erfährt, so wird der tiefer
Blickende unschwer die Gründe dazu erkennen. Die Natur hat in jeden
eine geheime Scheu vor dem Verborgenen, das hinter den Erscheinungen
liegt, gelegt, um ein leichtsinniges Betreten der verschlossenen
Pforte abzuwehren. Selbst d rjenige, der sich nur mit der exo-
terischen Seite dieser Probleme beschäftigt, rührt in sich an etwas,
das mit seinem innersten Wesen zusammenhängt. Er rührt an eine
Saite, die nur dann erklingen darf, wenn auch die äußeren Sinne
in ihm jenen Widerhall zu ertragen vermögen. Insofern ist auch
das exoterische Erkennen, wie es etwa im Lebenswerke du Prel's
niedergelegt ist, nicht ganz dasselbe wie die Feststellung einer rein
naturwissenschaftlichen Tatsache. Es steht dem religiösen Erkennen
viel näher als jenes andere; denn es ist ja nur die Vorstufe zu dem
esoterischen Erkennen der Dinge, wie schon früher erwähnt worden
ist. Damit hängt auch die Tatsache zusammen, daß so mancher, der
mit den Hilfsmitteln einer glänzenden verstandesmäßigen Begabung
an die okkultistischen Phänomene herantrat, auf diesem Wege gescheitert
ist. Sie zerfließen vielfach vor ihm wie gew isse Phänomene
der Materialisation vor dem Lichte zerfließen, da sie dieses wie das
werdende Samenkorn nicht zu ertragen vermögen. Es gehört noch
eine höhere Kritik dazu, um diese Erscheinungen verstehen und richtig
beurteilen zu können. Dann dürfte auch die Scheu, daß wir durch
den Okkultismus zu dem Aberglauben des Mittelalters zurückfallen
würden, für immer beseitigt sein. Auch die Besorgnis, sich ins Bodenlose
, Unergründliche zu verlieren, wie sie vielfach heute noch in den
Kreisen der Wissenschaft vorhanden ist. Auch die Theologie wird
dann dem Okkultismus näher treten können, da sie infolge ihrer
Abhängigkeit von den exakten Wissenschaften bis jetzt jene Be^
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