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250 P*ychi«che Stadien. XUV\ Jahrg 0. Heft. (Juni 1917).
Spukphänomene.
Von Oscar Ganser - Stralsund.
Entsprechend der wiederholten Aufforderung des Schriftleiters
um Mitteilung selbsterlebter okkulter Vorkommnisse schicke
ich hier zunächst ein eigenes Erlebnis voraus, das dem Leser
zeigt, wie oftmals Telepathie und Spukphänomene im engsten Zusammenhange
stehen. Dieses Ereignis trug sich in der Stadt A.
in der Provinz Sachsen zu. Im August 1915 wachte ich eiues
Nachts durch seltsame Geräusche gegen 1 Uhr auf. Ich hörte
deutlich, daß jemand die Treppe hinaufging, die Tür zu meiner
Schlafkammer öffnete, dieselbe recht unsanft zuschlug, an mein
Bett kam und mir einige Worte zuflüsterte. Ich war in dem
Augenblick wie gelähmt, faßte mich aber schnell und machte
Lichl. Es war nichts zu sehen. Zunächst glaubte ich, die
Kammertür nicht verschlossen zu haben, doch dieselbe war zu.
Ich leuchtete alles ab und fand nichts, darauf löschte ich das
Licht aus und legte mich wieder ins Bett. Einige Minuten später
hörte ich ein Gepolter, als wenn jemand Küchengeschirr entzweischlägt
, dann ein furchtbares Stöhnen und ganz deutlich die
Worte: „Ach du lieber Gott!*4 Dann erschien am Fenster ein
breiter weißer Lichtstreifen, der sich rasch zerteilte, und deutlich
erkannte ich einen Verwandten, der in Galizien im Felde stand.
Derselbe sah mich ungefähr 1 *> Minute mit einem ganz eigentümlichen
Gesichtsausdruck an, dann schlug wieder der Licht-
strei'eu über ihn und im Augenblick war alles verschwunden. Der
Lichtsireifen bewegte sich zum Fenster hinaus und es entstand
dabei ein Geräusch, als wenn die Scheiben entzwei gebrochen
würden. Einige Sekunden später wiederholte sich das bereits einmal
gehörte Gepolter in bedeutend verstärktem Maße. Während
dieser Vorgänge war ich keiner Bewegung fähig, ich hatte ein
Gefühl, welches demjengen des Alpdrückens sehr ähnelte. Ich
kann nicht sagen, daß ich irgendwelche Angstgefühle während
diesen Erscheinungen oder nachher hatte. Ich schlief bald wieder
ein. Am anderen Morgen teilte ich meiner Schwiegermutter und
Braut, bei denen ich damals wohnte, meine Wahrnehmungen mit,
und wir beschlossen, der Frau des mir Erschienenen nichts davon
zu sagen, da sie sich sonst nur unnötigerweise aufregen würde.
Es trafen nun längere Zeit von diesem Verwandten keine Nachrichten
ein, sondern vielmehr kam ein Brief mit dem Vermerk,
daß Adressat gefallen sei, zurück. Ich hatte unerklärlicherweise
noch immer das Gefühl, als ob diese Nachricht falsch sei, und
äußerte auch meine Bedenken gegen einen etwaigen Tod dej an-
geblich Gefallenen, trotzdem auch die amtliche Todesnachricht
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