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Blumhardt: Die Krankheit der Gottliebin Dittu*
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mancherlei aufzuräumen, aber es war nur der Schutt eines zusammengestürzten
Gebäudes. Mit dem halbblinden Bruder, einem
bescheidenen und demütigen, auch christlich sehr verständigen
Menschen, der viel Glauben und Glaubenskraft hat, hatte ich fast
nichts mehr zu schaffen; und die an ihn gekommenen satanischen
Angriffe sind andern Leuten kaum bemerklich geworden. Die
Katharina hatte noch eine Zeitlang je und je krampfartige Bewegungen
infolge der außerordentlichen Angegriffenheit des Gemüts
, war abei auch bald wieder völlig hergestellt; und was mit
ihr vorgefallen war, hat, möchte ich sagen, niemand erfahren.
Etwas Mehreres stellte sich noch in der nächsten Zeit bei der
Gottliebin ein; aber es waren mehr nur erneuerte, jedoch von
selbst mißlingende Versuche der Finsternis mit Früherem, die
mich weiter nicht viel in Anspruch nahmen. Ja, unter diesen
Nachzüglern geschah es allmählich, daß sie zu einer vollkommenen
Gesundheit gelangte. Alle ihre früheren Gebrechen, die den
Ärzten wohl bekannt waren, wurden ganz aufgehoben, die hohe
Seite, der kurze Fuß, die Magenübel usw. Dabei wurde ihre Gesundheit
immer fester und dauerhafter; und jetzt steht es seit
geraumer Zeit mit ihr so, daß sie in jeder Hinsicht als vollkommen
hergestellt, als ein wahres Wunder Gottes angesehen
werden kann. Ihi christlicher Sinn hat auch auf eine erfreuliche
Weise zugenommen; und ihre stille Demut, ihre gediegene und
verständige Rede, mit Entschiedenheit und Bescheidenheit gepaart
, machte sie zu einem gesegneten Werkzeug an vielen Herzen.
Was den Wert ihres Charakters am deutlichsten zu erkennen gibt,
ist das, daß mir keine weibliche Person bekannt ist, die mit soviel
Einsicht, Liebe, Geduld und Schonung Kinder zu behandeln
wußte, weswegen ich ihr bei nötig werdender Aushihe am
liebsten meine Kinder anvertraute; und wie sie schon im ganzen
vorigen Jahie Industrielehrerin zu aller Zufriedenheit gewesen war,
wobei ich nur mit dankbarem Erstaunen auf die bewahrende göttliche
Vorsehung zurückblicken kann, infolge deren sie in der
sonst so schweren Zeil auch nicht ein einziges Mal genötigt war,
den Unterricht einzustellen, so konnte ich jetzt, da eine Klein-
kinderschule errichtet werden sollte, keine Person finden, die so
gecgnet wie sie gewesen wäre, dieselbe zu übernehmen. —
So war den nun der Kampf, nachdem er, weit entfernt, ein
Ende nehmen zu wollen, immer schauerlichere Dimensionen anzunehmen
gedroht hatte, fast plötzlich völlig und für immer zu
Ende. Eines Kreuzes, das bisher nur andeutend erwähnt
wurde, sei nun noch ausführlicher gedacht, nämlich, wie Blumhai
dl seinen Weg durch diese dunkeln Gebiete immer einsamer
und einsamer hat gehen müssen. Seine Freunde flohen ihn fast,
und am schwersten war es ihm, daß auch sein Busenfreund Barth
ihn nicht veistehen wollte. Treulich hat ihm Blumhardt von Zeit
zu Zeit Bericht erstattet und oft dem um ihn bekümmerten
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