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v. —u : Die Anthroposophie „sexuelle Magie* ? 273
seelisch, ich durch das Experiment von Dr. Steiner durchmachen
mußte. Interessant ist vielleicht, daß einige Vorgänge nach
Fleischgenuß aufhörten. —
Lange Zeit versuchte ich als viel jährige Schülerin von
Dr. Steiner sein Verhalten in komplizierten Gedankengängen
moralisch rechtfertigen zu können.
Schließlich habe ich mich aber doch frei gemacht von dem
anthroposophischen Dogma, das verbietet, über Dr. Steiner irgendeine
Kritik zu üben. Daraufhin kann ich aus der Zusammenstellung
der Tatsachen bei nüchterner Betrachtung nur den Schluß
ziehen, daß Dr. Steiner im weitesten Umfang versuchte ein unerlaubtes
Experiment mit mir zu machen. Wenn es gesetzlich
möglich ist, werde ich dafür Schadenersatz fordern.
Auf Grund von den gesamten Erfahrungen, die ich gemacht
habe, glaube ich, daß der mir auf geistige Weise mitgeteilte Name
„sexuelle Magie" wohl für die sog. Anthroposophie der
richtige ist. —
Anmerkung der Red. - Herr Dr. Wohlbold, dem
wir das Erscheinen dieser neuen, schweren Anklage gegen die
Geheimschulung Steiner's zuvorkommend angekündigt hatten, teilte
uns, nachdem inzwischen obiger Artikel schon fertig gedruckt war,
mit, die Einsenderin sei geisteskrank und in einer Landesirrenanstalt
Interniert gewesen; nur versuchsweise entlassen, könne sie
jederzeit von neuem dort interniert werden, falls der Artikel erscheine
. Zur Bestätigung sandte er uns nachher noch ein Schreiben
des hochgestellten Vateis der jungen Dame zu, welcher mit Entmündigung
seiner „leider geisteskranken Tochter" drohte, wenn
durch Veröffentlichung ihrer Erlebnisse sein Familienname in den
Streit gezerrt wrerde. (Die geschiedene und neu verheiratete
Mutter*) scheint Anhängerin Steiners zu sein, während der Vater
nach der Versicherung des Herrn Dr. W. der anthroposophischen
Bewegung fernsteht.) An anderer Stelle von uns eingezogene
Erkundigungen ergaben, daß die reichbegabte Verfasserin allerdings
irrsinnig geworden war, aber jetzt offenbar genesen ist
und (als Studentin der Chemie im Berliner Laboratorium täglich
mit Erfolg arbeitet. Da Geisteskranke an keiner deutschen
Universität zugelassen werden und die Tobsuchtsanfäl e, wegen
welcher sie in jener Anstalt ärztlich behandelt wurde, u. E. ganz
wohl eben die Folge ihrer seelischen und geistigen Mißhandlung
durch die von ihr geschilderte Steiner-Methode sein konnten, so
glaubten wir uns einer Unterdrückung der Wahrheit nicht schuldig
machen zu dürfen und beschränkten die Rücksichtnahme auf den
*) Sie und andere glühende Verehrerinnen Stetner's, die in ihm den
wiedererstandenen Christus zu erblicken scheinen, suchten durch Bitten und
Drohungen auf Verleger und Schriftleiter einzuwirken, um diese in Wahrung
berechtigter Interessen gewünschte Veröffentlichung zu hintertreiben.
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