http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1917/0317
Waack: Strindberg als Mystiker.
Weiser, auf die Wurzeln seines Seins gerichtet hielt*). Versehlungen
waren die Pfade, auf denen Strindberg zur mystischen Anschauung
und Läuterung gelangte. In seiner Jugend ein erklärter Gegner
des Christentums unter dem starken Einfluß des von Frankreich
ausgehenden Naturalismus, dessen Spuren sich in seinen zum Teil
das Erotische stark betonenden Novellen, Ehegeschichten usw.
finden, tritt ein deutlicher Wandel seines inneren Wesens merkwürdigerweise
gerade in Paris, diesem Ausgangspunkte des Naturalismus
, ein.
Von Erfolgen verwöhnt, nach Erfüllung seiner literarischen
Wünsche von Ekel und Abneigung gegen alles Erreichte gepackt,
wendet sich Strindberg, Mitte der neunziger Jahre, in Paris den Naturwissenschaften
,1 insbesondere der Chemie zu. Mit dem Nachweis
von Kohlenstoff im Schwefel, dieses für einfach gehaltenen Körpers
glaubt er eine große Entdeckung gemacht und die herrschende
Chemie gestürzt zu haben. Auf Umwegen und geleitet von überirdischen
Gewalten gelangt er zur Alchemie, nachdem er schon
vorher so konsequent gewesen war, in Verfolgung der Lehren des
neuentstandenen Monismus die Grenze zwischen Geist und Materie
überhaupt aufzuheben. Erörterungen hierüber finden sich in dem
Buch „Antibarbarus", in dem Strindberg zum ersten Male von einer
Psychologie des Schwefels zu sprechen wagt. 1896 läßt der Dichter
sein Manuskript „Sylva Splvarum" drucken, das er selbst bezeichnet
als: „Das Buch von der großen Unordnung und dem unendlichen
Zusammenhang". In einem in dem gen Werk aufgenommenen
Artikel über den Totenkopf-Schmetterling (Acherantia Atropos) macht
er den „Versuch eines wissenschaftlichen Mystizismus^.
Es würde zu weit führen, die Art seiner Beweisführung für
den wissenschaftlichen Mystizismus hier zu diskutieren oder auch
nur wiederzugeben. Es muß aber gesagt werden, daß Strindberg
in „Sylva Sylvarumu den Schleier von den tiefsten und verborgensten
Geheimnissen der schlafenden Natur zu ziehen wagt**).
Die erzwungene Einsamkeit und gesellschaftliche Isolierung
des Dichters in Paris machte seine ohnehin schon stark nervöse
Natur bis zu einem hohen Grade für die feineren Schwingungen
höherer Sphären sensibel und empfänglich. Seine „Kirchhofstudien"
beweisen dies, ebenso und besonders auch eine seltsame Vision,
die Strindberg auf dem Kirchhof von Montparnasse in Paris hatte,
und die er selbst folgendermaßen beschreibt:
„Plötzlich veränderten die Wrolken ihre wagrechte Lage und
nahmen die Gestalt des Löwen von Beifort an. Dann drehten sie
Aus Rigveda: die Wurzeln alles Seins fanden die Weisen im Herzen.
* <) Für den Leser, der sich hierfür interessiert, ist es vielleicht wissenswert
, daß sich ein kurzer Auszug aus „Sylva Sylvarum" in dem 1S9S in
Uebersetzung bei Bondi in Berlin erschienenen Human Strindbergs „Inferno"
findet.
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