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876 Psychische Studien. XL1V. Jahrg. 8.-9. Heft. (Aug.-Sept. 1917.)
bei zwei weibliche Personen, welche mit falschen Wesen behaftet
waren. Diese kleinen Teile waren von einer bestimmten Neigung
zur Bedrückung, sie erzeugten bedrückte Empfindungen, melancholische
Anwandlungen. Ich habe auf einmal ein beruhigtes
Gefühl selbst mit übernommen. Sie fühlt intensiv Empfindungen
\on außerhalb, doch tritt dies nur in ihr Bewußtsein mit einigen
Personen. Andere treten nicht bis an die Bewußtseinsebene. Dies
ist alles, was ich aus der Erinnerung mitgebracht habe."
Soweit das Protokoll. Ich hatte später Gelegenheit, die
Dame, deren Aura beschrieben wurde, sehr gut kennen zu lernen
und konnte feststellen, daß die Farben, den Charaktereigenschaften
entsprechend, wohl richtig geschaut sein können. Ich habe mir
erlaubt, die Eigenschaften der Farben nach Leadbeater in Klammern
hinzuzusetzen, um den der übersinnlichen Bedeutung der
Farben unkundigen Lesern anschaulicher zu sein. Die Dame wai
tatsächlich religiös, sehr streng kirchlich erzogen und besaß einen
hingebungsvollen Charakter. Das Schauen einer Lilafarbe wird
durch den universellen Zug in ihrem Gemüt auch gerechtfertigt,
ebenso gerade das Goldgelb, während viel Gelb nicht konstatiert
wurde, da lediglich eine Verstandesbetätigung nicht sehr in Frage
kommt. Das Rosa ist ebenfalls gerechtfertigt, wie auch die zuletzt
beschriebene Neigung zur Bedrückung. Die Dame hatte
tatsächlich nicht selten schwermütige Anwandlungen Die vom
Medium wahrgenommene Neigung für Musik war bei ihr ganz
ausgesprochen stark vertreten. Die Beobachtung eines kleinen
Kindes in ihrer Umgebung hat bei den nachtraglichen Ermittlun-
gen zu keinem Ergebnis geführt, weshalb dieser Punkt auszuschalten
ist. da er nur visionären Charakter haben mag, dessen
notorische Unzuverlässigkeit und Vieldeutigkeif bei der Erforschung
des astralen Farbensehens nicht in Betracht kommt.
Dasselbe Medium gab in einer der ersten Sitzungen, in denen
mit ihm experimentiert wurde, bereits bemerkenswerte Beschreibungen
über die Aura, welche von um so größerem Interesse
sind, als ich versichern kann, daß das betreffende Medium bis
dahin noch nichts von einer Aura wußte, es hatte nur Flowers
Kollektion gelesen, die okkulte Literatur war ihm völlig fremd.
Ganz ehrlich gesagt, bin ich heute noch im Zweifel, ob es sich
bei den über drei Jahre lang von mir beobachteten Erscheinungen
des Mediums um animistische oder spiritistische Phänomene handelt.
Die ersten Sitzungen brachten aber gleich so gute Teste, daß ich,
wie die meisten Teilnehmer, ohne andere spiritistische Erfahrung,
damals an wirkliche Geisterkundgebungen glaubte. Später
nahmen die Kundgebungen durch das Medium den Charakter des
religiösen Offenbarungsspiritismus an. weshalb mit den Jahren
sich mehrere denkende Mitglieder vom Zirkel loslösten. In einer
der ersten Sitzungen, am 21. Juni 1909, gab ein „Spirit41, der sich
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