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392 Psychische Studien. XLIV. Jahrg. 8.-9, Heft. (Aug.-Sept. 1917.)
z. B. laut vor sich hin: „Ich habe hier den Marktplatz der Stadt
vor mir, in der Mitte befindet sich ein Brunnen, der Heinrichsbrunnen
. Das Wasser kommt aus dem Maule des Löwen. Links
befindet sich eine Buchhandlung von ... , daneben steht ein altes
Haus, das einige eigenartige Schnitzereien aufweist. Dann folgt
die Apotheke" usw. Man ruft sich also an Hand der Karte alle
Einzelheiten der Umgebung des Marktplatzes ins Gedächrnis zurück,
aber nicht mehr. Es würde verkehrt bein, sich auch gewisser Erlebnisse
zu erinnern, wozu man leicht Neigung verspüren wird.
Den genannten Gedankengang geht man recht oft und aufmerksam
durch, empfehlenswert ist es auch, sich denselben zu notieren.
Geht man nun ins Bett, so vergegenwärtige man sich im Geiste
den Marktplatz und stelle sich denselben plastisch vor. Das wird
dem Anfänger ebenfalls zunächst Schwierigkeiten bereiten, aber
bei gutem und ernstem Willen gelingt auch dieses. Die Gedanken
dürfen auf keinen Fall abschweifen, sonst nützt die Übung nichts.
Man wiederhole diese Übung so oft suih Gelegenheit bietet, dann
nehme man sich vor, von dem Marktplatz zu träumen und man wird
über das Resultat erstaunt sein; denn man wird den gewollten
Traum unbedingt haben. 14 Tage darf man mindestens auf den Erfolg
rechnen, oft auch länger. Hat man sein Ziel erreicht, so
nehme man eine andere Karte zur Hand und mache dieselbe Übung
nochmals. Wenn auch hier der gewünschte Erfolg eingetreten ist,
braucht man derartige Hilfsmittel nicht mehr, sondern legt sich
selbst etwas zurecht, wovon man träumen will. Ich empfehle da
eine gemachte Reise. Man beginne da etwa so: „ich habe den
Willen und konzentriere meine ganze Willenskraft darauf, von meiner
Reise, die ich am 10. Oktober 1914 unternahm, zu träumen. Ich
erhielt ein Telegramm aus .... um 9 Uhr morgens. Der Schnelles
ging 10,14 Uhr. Ich kleidete mich um, beantwortete noch einen
eiligen Brief an Fräulein ging nach dem Postamt und gab
eine Depesche nach .... auf, daß ich um 2,14 Uhr dort eintreffen
würde. Der Zug war voll, doch bekam ich noch einen Platz, da
ein Herr umsteigen mußte, was er nicht wußte. Es war eine nette
Reisegesellschaft" usw. Man rufe sich alles ins Gedächtnis zurück
und notiere sich alle Gedanken auf ein Stück Papier und lese die
gemachten Notizen öfter durch. Abends durchdenke man dieselben
im Bett nochmals recht eingehend, natürlich ohne abzuschweifen.
Der Traum wird sich erst in undeutlicher Form,*dann immer vollkommener
einstellen. Durch längere Übung wird man es dahin
bringen, seinen Gedankenapparat so in der Gewalt zu haben, daß
man innerhalb 1—2 Tagen jeden gewünschten Traum künstlich erzeugen
kann. Die gemachten Angaben beruhen auf meinen eigenen
persönlichen Erfahrungen und Beobachtungen.
Es ist nun noch kurz die Frage zu beantworten: „Welchen
Zweck hat die künstliphe Traumerzeugung?u Es handelt sich
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