Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene, Bibliothek, Frei122-Z5
Aksakov, Aleksandr N. [Begr.]
Psychische Studien: monatliche Zeitschrift vorzüglich der Untersuchung der wenig gekannten Phänomene des Seelenlebens
44. Jahrgang.1917
Seite: 415
(PDF, 154 MB)
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Scheele: Ueber die Unsterblichkeit der Seele. 415

Wenn ich nun aus dem Angeführten den Schluß ziehen muß,
die Philosophie habe ebenso wenig haltbare Beweise für wie
gegen die individuelle Unsterblichkeit, so kann man mir mit gewissem
Grunde entgegenhalten, ich hätte nicht berücksichtigt, was
eine philosophische Beweisführung eigentlich besagt. Die Philosophie
ist eine universale Wissenschaft, der Versuch, alles menschliche
Wissen zu einem einzigen zusammenhängenden Ganzen zu
ordnen. Daher kommt die philosophische Beweisführung nicht
durch irgendwelche vereinzelte Argumente zustande; sie geschieht
vielmehr dadurch, daß dem zu beweisenden Satze seine rechte
Stelle im System angewiesen und er durch seinen Zusammenhang
mit dem Ganzen als wahr betrachtet wird. Nur so wird z B. das
Dasein Gottes philosophisch bewiesen: durch die Erwägung, daß
der ganze Gedankenbau zusammenbrechen würde, wenn man diesen
Eckstein herausnehmen wollte. So ist es denn auch mit dem philosophischen
Beweise für die Unsterblichkeit der Seele. Die Philosophie
hat die FrJge in ihrem Zusammenhange mit der Weltanschauung
und Lebensauffassung im Ganzen zu betrachten. Piatos
eigentlicher Beweis für die Unsterblichkeit besteht daher nicht in
den oben betrachteten vereinzelten Sätzen; er liegt vielmehr in
der gesamten platonischen Ideenlehre. Ebenso ist es mit Kant und
mit allen andern Philosophen, in deren System die Unsterblichkeitslehre
einen Platz hat.

In gewissem Grade ist dieser Einwand zutreffend. Andererseits
aber dürfen wir nicht versäumen, hier denselben Gesichtspunkt
einzunehmen, den wir bei der Frage nach den Beweisen des
Materialismus und Pantheismus gegen die Unsterblichkeitslehre
geltend gemacht haben. In der Tat sind die hier angedeuteten
philosophischen Beweise für diese Lehre auch nur Zirkelbeweise,
die das voraussetzen, was bewiesen werden soll. Das idealistische
und theistische System, das einen Beweis für die Unsterblichkeit
der Seele geben will, ist an sich schon auf den Unsterblichkeitsglauben
aufgebaut — auf einer Auffassung der Seele und des Bewußtseins
, die mit diesem Glauben identisch ist. Allerdings gewährt
dieser Glaube größere Wahrscheinlichkeit dadurch, daß er
sich in eine volle Weltanschauung einordnen läßt, doch völlig bewiesen
ist sein Inhalt darum nicht; denn es lassen sich auch andere
Welthypothesen ohne Unsterblichkeitstheorie aufstellen.

Wir kommen also auf den schon mehrfach angedeuteten
Schluß zurück: die Frage kann durch eine abstrakte Beweisführung
nicht gelöst werden, die Antwort muß auf einer konkreten persönlichen
Entscheidung beruhen. Der abstrakte Verstand allein kann
hier nicht entscheiden, die ganze Persönlichkeit, also auch Gefühl
und Wille geben die Überzeugung. Sie wird dadurch nicht weniger
sicher, im Gegenteil: da sie von meinem ganzen Ich diktiert wird,
nicht nur von meinem Verstände, bindet sie mich um so fester.

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