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Scheele: lieber die Unsterblichkeit der Seele. 417
der Gegenwart über die bestimmtere Auffassung des Verhältnisses
zwischen dem Psychischen und Physischen im Menschen einig sein
mögen, das läßt sich doch mit großer Bestimmtheit behaupten, daß
ein Dualismus wie der hier erwähnte mit der gesamten wissenschaftlichen
Richtung der Gegenwart unvereinbar ist Ebenso wenig
wie sich auf dem Gebiete der äußeren Wirklichkeit Kraft und Stoff
von einander trennen lassen, ebenso wenig können Seele und Leib
als selbständige Wirklichkeiten nebeneinander aufgefaßt werden:
darin stimmen alle Ergebnisse der modernen Erkennistheorie, Psychologie
und Physiologie überein. Verschieden sind die Meinungen,
wie die Verbindung zwischen dem Physischen und Psychischen zu
fassen ist — ob beide nur verschiedene Seiten derselben Wirklichkeit
sird, oder ob das Wirkliche im Menschen schließlich nur von
einer Art ist, entweder völlig geistig — so daß das Leibliche die
Erscheinung von etwas Geistigem wäre, oder völlig leiblich — so
daß das Seelenleben nur eine Modifikation des Nervenprozesses
wäre; aber schwerlich kann heutzutage jemand auf wissenschaftlichem
Gebiete im Ernst erörtern wollen, daß der Mensch aus einem
geistigen und einem leiblichen Teiie zusammengesetzt wäre, welche
Teile daher im Tode von einander getrennt werden könnten.*)
Zieht man aus dem Umstände, daß daß moderne Denken den
Dualismus aufgegeben hat, in Bezug auf die Unsterblichkeitsfrage
die Konsequenz, so nimmt das Problem eine neue Gestalt an. Es
handelt sich nicht allein um die Unsterblichkeit der Seele, sondern
um die Unsterblichkeit des ganzen Wesens des Menschen, seiner
Persönlichkeit. Damit muß aber auch jeder Gedanke an ein im
eigentlichen Sinne dem Tode nachfolgendes Leben aufgegeben
werden. Denn was mit dem Leibe geschieht, wissen wir ja: er
löst sich auf, und seine Atome gehen neue Verbindungen ein. Wie
aber soll man da ohne solches Weiterleben eine Unsterblichkeit
annehmen? Darauf die Antwort: indem man mit dem Begriff der
Ewigkeit Ernst macht. In klarer Erfassung ist nämlich die Ewigkeit
nicht sowohl eine unendliche Zeit, als vielmehr Zeitlosig-
keit, Abwesenheit aller Zeitbestimmung. So wenig wie Geistigkeit
Allgegenwart im Räume bedeutet, ebenso wenig bedeutet
Ewigkeit Erstreckung durch alle Zeit. Sondern wie der Gedanke
weder hier noch dort ist, so ist es auch ungereimt, von einem
ewigen Leben zu sagen, es sei zeitlich da, sei jetzt oder künftig.
Das Ewigkeitsleben ist eine Lebensform ganz anderer Art, die
mit dem Vorher und Nachher in der Zeit nichts zu tun hat. Davon
zu sagen, es folge dem Erdenleben nach, ist ebenso unmöglich als
sagen, ein Gedanke sei rechts oder links von einem anderen Gedanken
.
Wird dieser geläuterte Ewigkeitsbegriff auf unser Problem
f; Vgl. hierzu das Nachwort des Übersetzers.
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