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Langner: Hellsehen und Mediumismus. 437
noch einmal wiedergegeben. Die Bilder schienen sich also
zweimal vor dem Medium zu entrollen. Eine Schauspielerin,
die damals unserem Zirkel auch angehörte, sollte Einsiedler
, Prinzessin, Sänger und Zigeunerin gswesen sein.
Also wieder eine Fürstlichkeit. Verschiedene unserer Mitglieder
kamen natürlich zu der bei späterer kritischer Ernüchterung
peinlich empfundenen Ansicht, daß unser Kreis
aus auserlesenen Geistern bestand, deren gegenwärtige soziale
Stellung nicht Maßstab für ihre innere Reife sein
könne. Ich muß gestehen, daß seinerzeit der allergrößte
Teil unserer Mitglieder dem Medium unbegrenztes Vertrauen
entgegenbrachte und sich überzeugt hatte, daß tatsächlich
Geister im Spiele seien. Bei einer nüchternen Betrachtung
muß aber auffallen, daß, trotzdem sich die Offenbarungen
in mäßigen und glaubwürdigen Grenzen lange Zeit hielten
und die „Geister* ihre Identität immer wieder behaupteten,
auch in unserem Falle die bekannten Größenwahnideen
der mediumistischen Tätigkeit entschlüpften. Der ganze
Kreis, auch das Medium, trieb seinerzeit theosophische
Studien, man las von einem kommenden „Weltlehrer* —
und bald wurde geoffenbart, daß dieser Weltlehrer als Re-
inkarnation des Sokrates in dem Sohn eines Berliner Mitgliedes
, das wir auf eine abenteuerliche Weise kennen
lernten, geboren war, eine sehr peinlich gewordene Offenbarung
, durch die sich die Mutter des Kindes, jetzt wieder
Monistin wie früher, sehr kompromittiert fühlte. — Da
die theosophische Literatur in viele spiritistische Zirkel
eingedrungen ist, so ist schon eine ganze Anzahl solcher
künftiger Welterlöser geboren worden, ein klägliches Zeichen
für die Verirrungen theosophischer Spekulationen und ihrer
Konsequenzen. Wie das öfter vorkommt, besuchten uns auch
in den Sitzungen allerhöchste theosoph. Kapazitäten, die sogenannten
„Meister", auch wiederholt Sokrates, der ja schon
in vielen Zirkeln auftrat. Er ließ sich natürlich mit großem
Wortschwall vorher durch andere Intelligenzen ankündigen.
Diese Irrtümer und Verirrungen durch wüste, unkontrollierte
„Offenbarungentt eines Mediums sind immerhin noch
harmlos ; bedauerlicher war dabei, daß die Mitglieder des Zirkels
ihr Leben den Offenbarungen gemäß anders einrichteten
und mehrere ihr Vermögen verloren, einer bankerott machte
und Konkurs anmelden mußte, andere wieder Jahre ihres
Lebens an nutzlose Studien verschwendeten und dadurch
ihre Lebenskarriere verfehlten oder doch stark verzögerten.5)
5) Der Herr Einsender, Leiter eines »Okkultist. Archiv« (Hamburg 21,
Hauffstr. 3), scheint also diese Sammlung »höheren Blödsinns« zur Warnung
Leichtgläubiger veröffentlicht zu wünschen, womit wir selbst einverstanden
sind. — Red.---
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