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Wöbken: Zum Fall Seiling.
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immer wieder den Sinn der Steiner'schen Worte fälscht
und in offenbaren Unsinn verkehrt, gegen den dann natürlich
nicht nur Seiling, sondern auch Steiner, wie überhaupt
jeder vernünftige Mensch sich wenden muß und
wird. Ob diese tatsächlichen Fälschungen des Sinnes auf
bewußte Böswilligkeit oder auf unbewußte Leichtfertigkeit
oder Einsichtslosigkeit beruhen, das lasse ich bezüglich
des nach seiner eigenen Darstellung früher (s. S. 31) vollstes
Vertrauen dem Dr, Steiner blindgläubig entgegenbringenden
und jetzt blindwütenden Prof. Seiling ebenso unbeurteilt,
wie es Steiner- bezüglich des Philosophen Karl Vorländer
(„Psych. Stud.* S. 193) gänzlicher Urteilslosigkeit oder
seines bedenklicher! Beitrages zur Gelehrtenmoral getan hat.
Die fertigen Urteile Vorländers, wie einer ganzen Reihe
anderer „AutoritätenÄ (die ungemein vielen für Steiner
günstigen hütet sich Seiling natürlich zu erwähnen!) sind
für Seiling augenscheinlich unumstößliche Dogmen, denn
sonst hätte er sie ja nicht so ganz ohne Beweis als Beweis
immer wieder angeführt, indem er ebensolche blindgläubige
und blindwütende Leser vorausetzt.
Sinnesfälschung ist und bleibt die Anführung Seilings
(S. 78), daß Steiner behaupte, „alle Metaphysik werde von
der Goethe'chen Weltanschauung abgelehnt; denn der direkt
vorhergehende, von mir (S. 196) mitangeführte Satz au.s
Steiners Goethebuch erklärt ausdrücklich, was unter dem
Worte „Metaphysik* hier zu verstehen ist bezw. was vor
Verf. kommt zu dem Schluß, d&L man es bei öteiner „entweder
mit einer sittlich minderwertigen oder nicht voll zurechnungsfähigen
Persönlichkeit" zu tun habe, und daß der ganzen Steiner-Bewegung
eine „tief innere Verlogenheit4* anhafte. Dr. Goesch ist vom Zentral
vorstand der A. G ausgeschlossen worden, weil er es gewagt
hatte, ein gewisses Verhalten Steiners in einem Privatbrief an diesen
und an einige kompetente Schüler desselben bedenklich zu finden.
Der Ausschluß erfolgte, nachdem Steiner diesen Brief in einer Versammlung
ohne Kommentar vorgelesen und damit Goesch zur Steinigung
ausgeliefert hatte. Später folgte eine Begründung des Ausschlusses
seitens des Zentralvorstandes, aut die Goesch in einem
längeren Berieht antwortete und dabei „objektive Unwahrheiten,
Zitatenfälschungen, Indiskretionen und Verunglimpfungen* feststellte
. Von einer Veröffentlichung nicht nur dieses Berichtes,
sondern auch der obigen Abhandlung hat Goesch abgesehen; denn
beide sind von einer unerhörten Ausführlichkeit, die Goesch zwar
zur Aufklärung etwaiger wahrheitsliebender Anthroposophen für
geboten erachtete, die er jedoch mangels einer wirklichen Bedeutung
Steiners vor der Öffentlichkeit nicht verantworten zu können meint.
Ich bin von Dr. Goesch (der in der Schweiz ansässig ist) ermächtigt,
Interessenten die Bekanntschaft mit der vorliegenden Abhandlung
unter gewissen Bedingungen zu vermitteln.. . . Vorstehendes Ihnen
zu beliebiger Verwendung übergebend, begrüßt Sie hochachtungsvoll
Max Seiling/
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