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Schrenck-Notzing: Magisches Geistesleben
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Weiterung des Wissens möglich, und mir scheint, wir sind vielleicht
sogar schon auf dem Wege dazu, wie das Erwachen vorsichtiger
und gewissen h a f t e r fälschlich sogenannter „okkultistischer
" Forschungen in allen Ländern, zumal in Großbritannien,
beweist. Es ist lächerlich, diese Bestrebungen
zu verspotten, wie es leider unter Deutschen gerade noch
so viel geschieht; und wer sich unterfängt zu sagen, diese Dinge
„könne es gar nicht geben", der hat darauf verzichtet, im Kreise
Ernsthafter gehört zu werden. Ganz gewiß „kann" es „alle diese
Dinge" geben, mit denen sich die „Society for Psychical Research"
und ähnliche Gründungen und viele Einzelpersonen, wenn auch
meist, leider, nicht vorsichtig genug, beschäftigen. Von Gedanken-
Übertragung ohne Stoffesvermittlung darf man wohl gar schon
vermutungsweise sagen, daß es sie wohl „geben" möchte. Und
von welch' ungeheurer Bedeutung für alles Wissen, also auch
für das Metaphysische, wäre schon ihr sicherer Nachweis
: würde er doch die seelische Vereinzelung, das
seelische Nuraufsichtgestelltsein der Person durchbrechen, diese
so ganz und gar rätselhafte und angesichts der aus anderen Gründen
notwendigerweise anzunehmenden Lehre von der Ganzheit
alles Wissens so völlig unverstandene heute noch als solche bestehende
„Tatsache". Meint man nun aber wirklich, es wäre
eigentlich metaphysisch ganz gleichgültig — neukantianische protestantische
Theologen sagen das gern —, wenn verstorbene
Einzelwesen sich uns irgendwie als eben diese gewesenen, gestorbenen
und doch seienden Einzelwesen kundtun könnten? Gewiß
, sie und ihre Kundgebungen wären Erfahrungsinhalte, „Er-
scheinungen«', wir hätten da „naturwissenschaftliche" Ergebnisse
und nichts anderes vor uns — aber denn doch in demselben
Sinne wie der andere lebende Mensch
oder der Baum oder der Stein hier vor mir sind
als „Erscheinungen" und Forschungsergebnisse
über sich gestatten. Wenn es nun metaphysisch
etwas „bedeuten" darf daß es diese Dinge in der Besonderheit
ihrer Gesetzlichkeiten alle „gibt" — würde da wirklich ein Geschehnis
, das so ist, als rühre es mit Sicherheit durchaus und
lediglich von einem „Verstorbenen" her, nichts bedeuten? Würden
wir hier nicht wirklich mehr haben als in leeren ontologisti-
schen Erwägungen?
Ich sage nicht, daß es heute, wo ich dies schreibe, Erfah-
rungstatsachen gibt, die zui Annahme zwingen, daß sie von einem
verstorbenen Einzelwesen herrühren. Ich halte vielmehr rundweg
alles, was bisher in dieser Richtung vorgebracht worden ist,
nicht für zwingend. *) Aber als einer, der ehrlich zu wissen
Man lese zumal die Aufsätze von R. Hodgson und William James
in »Proceed. Soc. Psych. Research«. Vol. 13 u. 23.
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