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'2 Psychische Studien. XLV. Jahrg. 1. Heft. (Januar 1918.)
Welche Folgen die Beschäftigung mit derartigen Dingen bei
leicht beeinflußbaren Personen haben kann, zeigte z. B. eine
Gerichtsverhandlung des Nürnberger Schwurgerichts im November
1917. Greift das Spielen mit unbekannten Naturkräften abei
einmal auf weitere Kreise über, so kann leicht Besonnenheit und
Schaffenskraft des Volkes erschüttert werden. Von der Art dei
Ordnung schaffenden Bestrebungen allein hängt ihr Erfolg ab.
Mit polizeilichen Verboten und gerichtlichen Strafen läßt sich zu-
nächst nichts erzielen, im Gegenteil, das wäre eine wirksame Reklame
und würde die Zusammenkünfte nicht vermindern, sondern
sie nur geheimer stattfinden lassen. Ebensowenig kann durch das
Ableugnen jeder „okkulten" Erscheinung und ihre billige Erklärung
mit taschenspielerischen und schwindelhaften Handlungen
oder mil Einbildung Abhilfe erzielt werden. Diesen Standpunkt
hat bisher die Wissenschaft eingenommen: welches Ergebnis *ie
damit erreicht hat, zeigt die Tatsache, daß sich die Sucht, übersinnliche
Vorgänge kennen zu lernen, immer mehr ausbreitete.
Im Laufe der letzten Jahrzehnte ist von verschiedenen Sei-
ten immer wieder die Notwendigkeit betont worden, vorurteilslos
und systematisch Untersuchungen vorzunehmen und eine naturwissenschaftliche
Erklärung, sei sie auch zunächst noch hypo-
thetisch, zu suchen. Leider scheiterten die wohlgemeinten Anregungen
an dem starren Dogmatismus der Schulgelehrsamkeit.
Man verspottete meist denjenigen, welcher im Ernste einen solchen
Vorschlag machte, oder bezeichnete ihn als verrückt. Die Befürchtung
, es könnte etwa eine bisherige Leh rmeinung erschüttert
werden, darf nicht im Wege stehen, hier müssen Interessen de!
eigenen Person und des Berufes zugunsten der Allgemeinheit
zurücktreten. Der Ausspruch des Physiologen Verworn,
„Die Wissenschaft i s * dem Leben dienstbar,
nicht das Leben der Wissenschaft", ist besonders
beherzigenswert.
Nachdem die exakte Forschung auf dem Gebiete de,
atmosphärischen Elektrizität, der Radiumbiologie und der Strahlen
- und Elektronenlehre im besonderen uns wichtige Aufschlüsse
gegeben hat, ist es an der Zeit, diese beim Studium des „Okkul-
tismus** sinngemäß zu verwerten und hieraus die logischen Schlußfolgerungen
zu ziehen. Wir müssen uns bemühen, die Naturgesetze
überall zu sehen.
Wie ich mich durch eigene Versuche überzeugen konnte,
läßt sich nunmehr für die Vorgänge bei dem tierischen Magnetismus
, der Psychometrie, den telepathischen „Anmeldungen"
und „Ahnungen", dem „Tischrücken** und für viele Äußerungen
von Medien im Trancezustand eine glaubhafte theoretische Er-
klärung geben. Erforderlich ist allerdings, daß die Physiologen
die aus dem menschlichen Körper austretende Strahlung der
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