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54 Psychische Studien. XLV. Jahrg. '2.-3. Heft. (Februar-März 1918)
nach dem Tode die schöpferische Tätigkeit des Geistes eine Zeitlang
fortwirkt und den dadurch erzeugten Träumen und Halluzinationen
den Anschein von Wirklichkeit verleiht. Mitteilungen
in diesem Zustand würden voll Widersprüche sein mit unseren
physischen Erfahrungen, da sie einesteils diesen Zustand als diesem
Leben ähnlich darstellen, andererseits Ungereimtheiten wie
z. B. Geistergewänder als völlig verständliche Erscheinung gebe»
würden. Es ist nur natürlich, daß unklare und verschwommene
Begriffe unvermeidlich werden, wenn eine unkörperliche Welt beschrieben
werden soll und insbesondere in Ausdrucken unserer
Wissensformen.
Alles in allem: das Problem ist schwierig und es wird noch
einer ausgedehnten, auf vielseitiger Erfahrung basierten Experi-
mentalforschung bedürfen, um hier nur einen Schimmer von Erkenntnis
zu gewinnen.
Wir kommen nun zu den Sitzungsberichten. Der Experi-
mentator legte dem Medium u. a. Fragen über die Aura vor.
Dies ist bekanntlich die Hülle, welche wie ein leuchtender Schleier
den menschlichen Körper nach der Behauptung der Hellseher umgeben
soll.
Obwohl die Antworten im allgemeinen ziemlich unklar
waren, so enthalten sie doch manche überraschende Momente. So
z. B. sagte das Medium, daß die Farben der Aura den geistigen
Zustand ausdrücken; die hellen Strahlen zeigen die größeren
Kräfte an. die schwachen und dunkleren Strahlen die kämpfende
Seele. Am klarsten sei das schwache violett und am dunkelsten
das tiefe schwarz- und rauchartige. Die Farben wechseln mit dem
geistigen Zustand. Merkwürdig ist, daß diese Angaben mit Behauptungen
übereinstimmen, welche aus anderen Quellen stammen
. Das Medium hatte .keine Kenntnis hiervon.
U. a. sagte das Medium, daß die irdische Existenz von einer
strahlenden Atmosphäre umgeben sei, deren Strahlung aus der
inneren Seelentätigkeit kommt. Diese Strahlung sei nicht substantiell
, sondern ein psychisches Element. Bei Medien ist die Aura
strahlender, als bei gewöhnlichen Personen. Jeder Mensch ist von
einer Aura umgeben, aber es muß unterschieden werden zwischen
der physischen und der psychischen Aura. Letztere ist eine Ausströmung
des Geistes, eine Nervenkraft, nicht substantiell. Wenn
das Subjekt die Kraft hat, passiv zu werden, wird die psychische
Aura leuchtender. Eine intelligente Person ist ein gutes Medium,
eine ruhige Person ebenfalls. Indes sind die Stupiden von der
Mediumschaft nicht ausgenommen, denn sie können schlechte
Geister einladen sie zu benützen, während gewissenhafte Medien
vor diesen irrenden Geistern bewahrt sind.
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