Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene, Bibliothek, Frei122-Z5
Aksakov, Aleksandr N. [Begr.]
Psychische Studien: monatliche Zeitschrift vorzüglich der Untersuchung der wenig gekannten Phänomene des Seelenlebens
45. Jahrgang.1918
Seite: 66
(PDF, 147 MB)
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66 Psychische Studien. XLV. Jahig. 2.-1 Heft. (Februar-März 1918.)

Stimme vernommen zu haben, anhörte und sich mit ihnen in ernsthafte
Unterredungen einließ.

Dieser Umstand brachte uns auf den Gedanken, daß Sokrates'
Genius kein Gesicht, sondern die Empfindung einer Stimme oder
das Vernehmen einer Rede gewesen sei, die ihm auf eine ganz eigene
und besondere Weise auffiel, so, wie man auch im Traume
keine wirkliche Rede hört, sondern sich nur eine eingebildete Vorstellung
von gewissen Worten macht und dennoch andere sprechen
zu hören glaubt. Indeß geschieht es zuweilen, daß man wirklich
im Traume eine ebenso deutliche Eingebung bekommt, weil der
Körper, wenn man schläft, einer gänzlichen Stille und Ruhe ge-
nießt; da hingegen bei Wachenden die Seele nicht imstande ist,
höhere Wesen zu verstehen. Denn sowohl das Getümmel der
Leidenschaften, als die Zerstreuung durch so mannigfaltige Ge-
schäfte verursacht, daß wir die göttlichen Ermahnungen nicht
hören, noch unsere Gedanken darauf richten können. Aber
Sokrates, dessen reiner und von Leidenschaften freier Verstand
nur der notwendigsten Dinge wegen mit dem Körper einige Ge-
meinschaft hatte, fühlte jede Beeinflussung und war sogleich für
alle auch noch so geschwinden Eindrücke empfindlich. Und diese
Eindrücke rührten vermutlich nicht von einem bloßen Laute,
sondern von der Rede eines Genius her, die ohne Stimme selbst
auf seinen Verstand wirkte.

Dem Vater des Sokrates befahl das Orakel, er sollte seinen
Sohn alles, was ihm einfiele, tun lassen, ohne ihn zu einer Sache
zu zwingen oder von etwas abzuhalten; er sollte vielmehr seinen
Begierden freien Lauf lassen und nur für ihn dem Jupiter und den
Musen Gelübde tun, übrigens aber sich um seinen Sohn weiter gar
nicht bekümmern, weil er schon in sich selbst einen Wegweiser
durch dieses Leben hätte, der besser wäre, als alle anderen Lehrer
und Erzieher. Dies ist die Meinung, die ich über Sokrates* Genius
sowohl bei seinem Leben, als nach seinem Tode gehabt habe. Was
ich Timarchus, den Chaironeer, hierüber erzählen hörte, könnte
man leicht für Märchen erklären.

Timarchus ist sehr jung gestorben. Vor seinem Tode bat er
den Sokrates, ihn neben Lamprokles, dessen Sohn, begraben zu
lassen, der wenige Jahre vorher gestorben war und mit dem er
wegen gleichen Alters in vertrauter Freundschaft gelebt hatte.
Dieser Timarchus, ein sehr edeldenkender Jüngling, der soeben in
die Philosophie eingeweiht worden, wünschte nichts mehr, als zu
erfahren, was es mit Sokrates' Genius für eine Bewandtnis habe
und stieg zu dem Ende, ohne jemanden, außer mir und Kebes,
sein Vorhaben zu entdecken, in Trophonius* Höhle, nachdem ei
vorher alle bei diesem Orakel gebräuchlichen Zeremonien sorgfältig
beobachtet hatte. Er brachte zwei Nächte und einen Tag
unten zu. Schon hielten ihn viele für verloren, und seine Ver-


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