Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene, Bibliothek, Frei122-Z5
Aksakov, Aleksandr N. [Begr.]
Psychische Studien: monatliche Zeitschrift vorzüglich der Untersuchung der wenig gekannten Phänomene des Seelenlebens
45. Jahrgang.1918
Seite: 69
(PDF, 147 MB)
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Dobberkau: Vom Daimonion des Sokrates.

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Der Genius läßt uns, wenn er sieht, daß wir, durch die Geschäfte
dieses Lebens untergetaucht, immer einen Körper nach
dem anderen, als so viele Rettungsmittel ergreifen, ganz allein
kämpfen und gibt bei allen unseren Versuchen, uns durch eigene
Tugend zu retten, und den Hafen zu erreichen, lange Zeit nur
einen bloßen Zuschauer ab. Wenn aber eine Seele, die schon
viele Zeugungen hindurch lange Kämpfe ausgehalten hat, nach
Vollendung ihrer Laufbahn jeder Gefahr mutig trotzt und noch
am Ausgange mit der äußersten Anstrengung empor zu klimmen
trachtet, so sieht es die Gottheit gar nicht ungern, daß einer
solchen Seele ihr eigner Genius Beistand leistet, und sie läßt
hierin seinem guten Willen freien Lauf.

Jeder Genius hat eine andere Seele, die er durch Aufmunterungen
zu retten sucht. Diejenige nun, die sich immer zu ihm
hält und ihm Gehör gibt, wird des gewünschten Glückes teilhaftig;
die unfolgsame aber wird ganz von ihrem Genius verlassen, und
gerät in einen unglücklichen Zustand." —

Es entspricht also nicht den Anschauungen der alten
Griechen, was Dr Heinrich Schmidt in seinem „Philosophischen
Wörterbuche" schreibt:

„Daimonion" nennt Sokrates eine innere Stimme, die ihn
warnte, wenn er im Begriff stand, etwas nicht Richtiges zu tun;
es war, wie wir wohl annehmen dürfen, „eine aus den unbewußten
Unterströmungen des Seelenlebens auftauchende dunkle, aber
richtige Einsicht in das, was seiner Natur gemäß war.'* (Gom-
perz.) Sokrates führte sein Daimonion auf die „Gottheit" zurück:
bei ihm (vermutlich) die immanente Weltvernunft, die im Menschen
als individuelle Vernunft auftritt. Ähnlich Goethe im
Tasso: „Ganz leise spricht ein Gott in unsrer Brust, ganz leise,
ganz vernehmlich, zeigt uns an, was zu ergreifen ist und was
zu fliehn."

Auch das ist nicht geschichtlich berechtigt, was Prof. Dr.
Georg Weber in seiner „Geschichte des hellenischen Volkes mit
besonderer Berücksichtigung des Geistes- und Kulturlebens und
mit Benutzung de-- neueren geschichtlichen Forschungen" schreibt:

„Viele Erklärer haben das „Daimonion" für einen persönlichen
Genius genommen und den Sokrates bald des Aberglaubens
oder der Schwärmerei beschuldigt, bald darin die Wirkung krankhafter
ekstatischer Anfälle erkennen wollen, während er selbst es
nur als ein „dämonisches Zeichen", als eine" „göttliche Stimme",
oder „innere Offenbarung" bezeichnet, die ihm von Jugend auf in
entscheidenden Augenblicken kund tue, was er meiden oder unterlassen
solle. Damit übereinstimmend haben die bedeutendsten neueren
Forscher das Sokratische Daimonion für ein „Vorgefühl über
Zuträglichkeit oder Schädlichkeit gewisser Handlungen" erklärt,
für die „innere Stimme des individuellen Taktes, der dem treuen


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