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100 Psychische Studien. XLY. Jahrg. 2.-3. Heft. (Februar-März 1918.)
Fleiß und Nachdruck als mit Geschick" für die Lourdeswunder
eingetreten, von denen er behauptete, daß sie „mit Durchbrechung
aller Naturgesetze" sich ereignet hätten und ereignen. Verfasse-
rin trat ihm nun energisch entgegen und wies das Falsche seiner
ganzen Begriffswelt — wenn er von einer „Durchbrechung der
Naturgesetze** spreche, so müßte er 2uerst nachweisen, daß %vir
sämtliche Naturgesetze bereits kennen usw. — so überzeugend
nach, daß der größte Teil der etwa 200 anwesenden Personen
ihr begeisterten Beifall spendete und, nachdem Rambacher
schimpfend den Saal fluchtartig verlassen hatte, die Gründung
einer neuen „Gesellschaft für Geistes- und Seelenpflege** beschloß.
Wir können also dem obigen „Kulturdokument** die erfreuliche
Mitteilung anschließen, daß sich nun in München eine Gemeinschaft
: %,Die Seher** gebildet hat, deren Leitung Frau Vogt-
Vilseck (Gauting 63 bei München) zu übernehmen \ ersprach.
Um Zersplitterungen zu vermeiden, wurden bestimmte Gruppen gebildet
; neben der spiritistischen Gruppe eine solche für Licht-
fonchung, neben der für Ethik eine solche für soziale Ziele, neben
der für Philosophie eine solche für Rechtswissenschaft, neben der
literarischen eine für Kunst und Mystik. „Sie sehen**, schreibt
uns die unternehmende Verfasserin, „daraus kann etwas werden, und
vieles hat so unter einem Hute Platz. Immer aber müssen es
ehrliche Sucher sein; geistiger Hochmut wird als die
größte Sünde angesprochen und ist nicht im Sinne der Gemeinschaft
. Denn nur indem wir uns alle als einfache Suchende be-
kennen, bekennen wir zugleich, daß wir nichts Endgültiges
wissen, vor allem, daß wir noch lange nicht alles wissen, wac wir
wissen möchten. Die tiefe Not unserer Zeit liegt aber darin, daß
der Mensch von heute zwar (zum Teil) endlich eingesehen hai,
daß er wohl als Herdentier lebte, aber nicht in geistiger Gemein-
schaft, als ein soziales Ganzes, zu dem jeder einzelne gehört. Nur
so können wir einander alle erlösen: Eine Herde und ein Wollen,
nicht, wie seither, immer, das Entgegengesetzte wollen, sondern das
Eine wollen im Suchen: Die Wahrheit! Im Suchen der
Wahrheit allein ist das Glück zu finden, denn nicht indem wir
finden, sind wir glücklich, sondern indem wir suchen.**
Wir rufen dieser neuen Vereinigung, *die auch schon mit der
Gründung einer Bibliothek begonnen hat, ein dem günstigen Verlauf
ihrer ersten Versammlung entsprechendes herzliches: Glück-
auf! zu. Schriftleitung.
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