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144 Psychische Studien. XLV. Jahrg. 4. Heft (April 1918.)
26. Juni war er schon imstande, bei einer vorgehaltenen Photo-
graphie „grd seb" anzugeben, also zu sagen, daß das Büd einen
ihm bekannten Knaben, der Gerd genannt wird, und ihn selbst
(Sepp) darstellte. Manche Buchstaben klopft er mit der rechten
Pfote, manche mit der linken, nach einer von Fräulein L. aufgestellten
Tabelle
Nun will ich schließlich noch einige Antworten des Hundes
mitteilen. Als er zu einem Besuch bei Verwandten nicht mitgehen
durfte, wurde er gefragt, ob man ihm etwas mitbringen
solle. Antwort: „brod". Warum denn Brot? Antwort: „gud".
Die Frage, ob man ihm auch Hundekuchen mitbringen sollte,
verneinte er und buchstabierte: „slegd** (schlecht). Als der Bruder
von Fräulein L., der in Urlaub kam, wieder abgereist war, lief
der Hund traurig im Hause umher. Man frug ihn nach dem
Grunde und da kam die Antwort: „wili gar nimer da** (Willy
gar nimmer da).
Auf die Frage, warum er unterwegs an allen Ecken schnuppere
, antwortete der Hund: „gud rign" (gut riechen!) „Aber
das riecht doch schlecht?** Antwort: „Nein". „Nun, nach was
riecht es denn?" Antwort: „Hund". Derartige Äußerungen, in
welchen gerade die Auffassung des Tieres zum Ausdruck kommt,
die von den Gedanken des Menschen ganz verschieden ist, bilden
den schönsten Beweis dafür, daß die Antworten von dem Hunde
selbst kommen und nicht etwa vom Menschen auf irgend eine
Art übertragen sind. — Dasselbe zeigen auch andere unerwartete
Antworten. Als Fräulein L. die Äußerungen des Hundes für mich
niederschrieb, rrug sie den Hund, ob sie mir etwas von ihm ausrichten
solle, und erwartete, daß er einen Gruß auftragen würde,
wie er es in anderen ähnlichen Fällen getan hatte. Der Hund
buchstabierte aber: „gugn gebn, gugn gud" (also: Kuchen geben,
Kuchen gut). Das Tier dachte also nicht an die Sendung eines
Gruße», sondern erinnerte sich bei meinem Namen des Lebkuchens
, den ich ihm zwei Tage vorher gegeben hatte, als seine
Kunst bei mir vorgeführt wurde.
Je mehr buchstabierende Hunde bekannt werden, umso
rascher wird die Bedeutung der neuen Methode des Tierunterrichts
zur Anerkennung kommen, durch welche dem stummen Tiere die
Möglichkeit gegeben wird, seine Gedanken kundzugeben. Es ist
daher erfreulich und kommt auch für die tierpsychologische
Wissenschaft erwünscht, daß Stuttgart auch einS buchstab.e-
renden Hund besitzt. („Stuttgarter Neues Tagblatt" v. 3. 8. 17.)
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