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Lomer: Kriegsahnungen im Traum
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III. Abteilung.
. Tagesneuigkeiten, Notizen u. dergl
Kriegsahnunjf en im Traum.*)
Von Dr. Georg Lomer, Nervenarzt in Hannover.
Daß ein so ungeheures Völkererlebnis wie dieser Krieg die
Seelen der Menschen im Wachen wie im Traume beschäftigt, ist
selbstverständlich. Was wir träumen, das sind ja vor allem unsere
Hoffnungen und Ängste — letztere mehr als erstere! — und wo
ist ein Mitteleuropäer, der in diesem Weltkonflikt nichts zu hoffen
oder zu fürchten hätte! —
Gewiß, Kundige haben ihn vorausgesehen; Niemanns „Weltkrieg
", Grautoffs vielgelesenes „Seestern 1906**, das anonyme
„Völker Europas!**, Ernst Lissauers eindringlich mahnendes
„1813**, und wie sie sonst alle heißen mögen, die Kriegsromane
und die Kriegsgedichte gerade der jüngsten Generation, waren sie
nicht lebendigste Zeugnisse für die Intensität, mit welcher die
europäische Phantasie den Kriegsgedanken seit langem innerlich
verarbeitete?!
So ist es denn kein Wunder, wenn dieses besorgte Interesse
längst auch in der Traumwelt seinen Niederschlag fand. Sinnbilder
und Gleichnisse sind Lieblingsausdrucksmittel des Traumgeschehens
; in Sinnbildern und Gleichnissen vom Kriege sprach
der Traum daher zu vielen aufmerksamen Seelen, lange bevor der
Krieg wirklich da war. So wurde mir, gelegentlich einer wissenschaftlichen
Umfrage, folgende interessante Traumallegorie mitgeteilt
:
„In der Nacht vom 24. zum 25. Januar 1914**, schrieb mir
Herr v. A. aus Zürich, „träumte mir, ich stände mit meinem verstorbenen
Freunde M. auf einer weiten, baumlosen Hochebene.
M. sagte: „Wir bekommen schlechtes Wetter! " Ich widersprach,
denn der Horizont war ganz klar. Aber da stieg auch schon eine
dunkle Wolkenbank empor und breitete sich rasch nach oben und
den Seiten aus. Vor diesem dunklen Hintergrund schwebte ein
riesiges Gebilde, wie eine graue Wolke, die ganz deutlich und
scharf, wie aus Stein gemeißelt, zwei Figuren darstellte. Die eine
war ein Reiter (oder Reiterin) auf galoppierendem Schlachtroß,
die andere eine hohe Reckengestalt, die gerade vor dem sich
bäumenden Pferde stand, so daß sein Oberkörper zwischen den
Vorderbeinen des Pferdes sich befand. Beide Figuren waren un-
*) Obiger Beitrag unseres hochgeschätzten neuen Mitarbeiters erschieß
in Nr. 38 der „Weimar. Landeszeitung „Deutschland" vom 7. II. 18. —
Red.
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