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150 Psychische Studien. XLY. Jahrg. 4. Heft. (April 1918.)
feile Spöttekien. Ein „Hamlet" pflegt auch über eigentümliche
Wolkengebilde nachzudenken.
* sj: *
Einen überaus merkwürdigen Traum teilt auch H. Hermann
im „Badener Lokalanzeiger** aus der Zeitschrift „Balkanstimmen**
(S. 23) mit. Es heißt dort: „ Dr. Josef von Lanyi, Bischof in
Großwardein, war Lehrer der ungarischen Sprache beim seligen
(ermordeten) Erzherzog Franz Ferdinand und erfreute sich der
besonderen Gunst Sr. Kais. Hoheit. Am 28. Juwi 1914 hatte nun
der hochwürdige Bischof einen höchst merkwürdigen Traum.
P. Eduard Lanyi S. J., Professor am Pius-Internat zu Fünfkirchen
und Bruder des hochw. Bischofs von Lanyi, hatte die Güte, uns
eine wörtliche Abschrift von einem eigenhändigen Schreiben, in
welchem der Bischof den Traum genau erzählt, zu besorgen.
Dieses bischöfl. Schreiben lautet: „Am 28. Juni 1914, y^At Uhr
früh, erwachte ich aus einem schrecklichen Traum. Mir träumte,
daß ich in den Morgenstunden an meinen Schreibtisch ging, um
die eingelangte Post durchzusehen. Ganz oben lag ein Brief init
schwarzen Rändern, schwarzem Siegel und dem Wappen des Erzherzogs
. Sofort erkannte ich die Schrift meines unvergeßlichen
höchsten Herrn. Ich öffnete den Brief und sah am Kopf des
Briefpapiers in himmelblauem Ton ein Bild wie auf Ansichtskarten
, welches eine Straße und eine enge Gasse darstellte. Die
Hoheiten saßen in einem Automobil; ihnen gegenüber saß ein
General, neben dem Chauffeur ein Offizier. Auf beiden Seiten
der Straße eine Menschenmenge. Zwei junge Burschen springen
. hervor Und schießen auf die Hoheiten. Der Text des Briefes ist
wördich derselbe, wie ich ihn im Traume gesehen. Er lautet:
„Eure bischöflichen Gnaden! Lieber Doktor Lanyi! Teile Ihnen
hiermit mit, daß ich heute mit meiner Frau in Sarajewo als
Opfer eines/politischen -Meuchelmordes falle. Wir empfehlen uns
Ihren frommen TJeBefen und hl. Meßopfern und bitten Sie, unseren
armen Kindern auch fernerhin in Liebe und Treue so ergeben zu
bleiben wie bisher. Herzlichst grüßt Sie Ihr Erzh. Franz.
Sarajewo, 28. Juni 1914, %4 Uhr morgens." Zitternd und in
Tränen aufgelöst sprang ich aus dem Bett, sah auf die Uhr, die
*/o4 Uhr zeigte. "Ich eilte sofort zum Schreibfisch, schrieb nieder,
was ich im Traume gelesen und gesehen. Beim Niederschreiben
behielt ich sogar die Form einiger Buchstaben, wie sie vom Erzherzog
niedergeschrieben waren, bei. — Mein Diener trat denselben
Morgen um 3/, 6 Uhr in mein Arbeitszimmer ein, sah mich
«blaß dasitzen und den Rosenkranz beten. Er fragte mich, ob
ich krank sei. Ich sagte ihm: „Rufen Sie gleich meine Mutter
und den Gast, ich will gleich die hl. Messe für die Hoheiten lesen;
denn ich hatte einen schrecklichen Traum." Mutter und Gast
kamen um %7 Uhr herbei. Ich erzählte ihr in Anwesenheit des
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