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Weltkriegs-Apokalyptik. ^ /tU '/ 151
Gastes und des neugierigen Dieners/den Traum. Dann ging ich _
mit ihnen in die Hauskapelle für die Hoheiten zelebrieren. ßVtr /
ganze Tag verging in Angst und Bangen, bis mir ein Telegramm
aus Wien um y%A Uhr nachmittags die schreckliche Nachricht
brachte, daß die Hoheiten in Sarajewo ermordet wurden. R. L P."
- So lautet wörtlich das Schreiben des hochw. Herrn Bischofs
Dr. Lanyi. Daß der Traum Tatsache ist, können wir vernünftigerweise
nicht bezweifeln. Die Erklärung ist gegeben, wenn wir
annehmen, daß der Bischof das Werkzeug eines übernatürlichen,
göttlichen Einflusses geworden ist. Um so mehr ist diese Annahme
begründet, da sowohl der Bischof als das hohe Fürstenpaar
durch ein reges religiöses Innenleben mit überirdischen
Mächten recht vertraut waren.***) — Zu dieser Vorausschau der
Ermordung des Erzherzogs Ferdinand schreibt uns unser hoch- f
würdiger Mitarbeiter Dr. Clericus (dat. 10. III. er.) nach Fertigdruck
obiger Notiz: „Der „Altöttinger Liebfrauenbote*' Nr. 8,
Jahrg. 24 bringt diesen auffallenden Bericht, der auch im „Bayeri- >
sehen Kurier** und im „Neuen Münchener Tagblatt** zu lesen
war und der den „Balkanstimmen** (die Nummer wird leider nicht
angegeben) entnommen worden sein soll. Am meisten Bedenken
erregt wohl an dieser Dar^eUung die in Briefform erfolgte An-
meidung des kommenden Todes durch den Erzherzog selbst samt
der genauen Zeitangabe der Ermordung; denn hierzu gibt es, so
weit ich sehe, keine Analogie unter den gut beglaubigten Vorgesichten
bezw. Wahrträumen. Außerdem wird der Leser zunächst
an ein „vaticinium post eventum** denken, d. h. an eine
erdichtete Weissagung, welche erst nach dem betreffenden
Ereignis entstanden ist. Warum, so fragt man sich, wird
dieser erst 3l/2 Jahre nach dem Mord von Serajewo veröffentlicht
? Es waren auch nicht zwei junge Leute, die den Erzherzog
erschossen, sondern einer. Die Sache ist aber einer
kritischen Untersuchung wert. Bewahrheitet sie sich, so ist damit
ein neuer Beweis für das zeitliche Hellsehen gewonnen. Der
Bischof mag seine Gründe gehabt haben, seinen Traum erst jetzt
zu veröffentlichen. Da meines Erinnerns zweimal nacheinander
auf das erzherzogliche Paar geschossen wurde, so würde der
Bischof im Traume als gleichzeitig geschehend das geschaut
haben, was zeitlich nur ganz kurz auseinander lag. Die Hauptsache
ist, daß nach dem Bericht der Bischof seinen Traum
vor dem Ereignis drei Zeugen mitgeteilt haben soll: seiner
Mutter, einem Besuch und dem Diener. Im Interesse der
Wissenschaft wie der Religion läge es, wenn diese Zeugen
sich zu eidlichen Aussagen herbeilassen würden. Außerdem müßte
•) * Eingesandt aus Nr. 40 der „Bad. Volkszeitung*1 (Oos-Zeitung) vom
16. Febr. 18 dureb Güte des Herrn Prof. a. D. Dr. Gottfr. Kralt, Baden-
Baden. — Red.
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