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Collier: Zur Analyse der In stink thand hingen. 171
dann, wenn es zufällig bei seinem Umherlaufen auf Wasser
stieße, würde es anfangen zu schwimmen.
Durch die Annahme einer angeborenen Vorstellung
setze ich mich hier bewußt in Gegensatz mit der gesamten
Schulpsychologie, die eine derartige Möglichkeit glattweg
ableugnet* Und doch wird der okkultistisch geschulte
Psychologe es nicht von der Hand weisen könnenfdaß die
Möglichkeit vorhanden ist, daß Vorstellungen allgemeinen
Inhaltes, wie z. B. die eben erwähnte Milieulorstellung, von
Geburt aus vorhanden sind. Es sei nur an die akademische
Antrittsvorlesung von Schuster erinnert: „Gibt es unbewußte
und vererbte Vorstellungen?* Die Annahme, der Trieb
sei zugleich von einer gewissen Richtung begleitet, ist doch
viel komplizierter und%nwahrscheinUcLr> obige An-
nähme, (ef. Schwarz: „Psychologie des Willens.*)
Der Einwurf, daß es sich möglicherweise um einen
Hydrotropismus handelt, ist wohl kaum zu erwarten,
denn unser Fall ist doch sicher mit dem der Entenküken
in Analogie zu stellen. Wenn diese von einem Tropismus
geleitet würden, so würden sie sicher, wenn sie sich in der
Nähe des Wassers in einem abgezäunten Raum befänden,
so daß sie das Wasser nicht sehen könnten, sich unbewußt mit
Gewalt zum Wasser drängen, d. h. sich nach der Richtung
wenden, in der das Wasser liegt. Daß dies nicht der Fall
ist, kann jede Beobachtung lehren. Somit ist die Möglichkeit
eines Hydrotropismus ausgeschlossen.
Wir müssen also mit einem angeborenen psychischen
Faktor, nämlich einer Milieuvorstellung, rechnen, und
dieser ist es, der eine Instinkthaudlung vortäuscht. Nun
ist aber diese Vorstellung nicht erst erworben, sondern ererbt
, angeboren, wobei die beiden Ausdrücke „ererbt* und
„angeboren* im Sinne Morgans gebraucht werden. Wir haben
hier also Vorstellungen, die von Geburt an vorhanden sind,
die nicht von der Erfahrung des Individuums bedingt sind,
sondern in jedem Tier vollkommen fertig da sind. Diese
Vorstellungen, die der Gattung zukommen und nicht von
dem Individuum abhängen, kann man allerdings vielleicht
als instinktive Vorstellungen ansprechen, doch ist
es besser, den Instinktbegriff auch hier auszuschalten.
Aus dieser Betrachtung dürfte hervorgehen, daß als
erster Faktor bei dem komplizierten Vorgang des sofortigen
Auf such ens des Wassers und der exakten Ausführung der
Schwimmbewegungen bei Gallinula chloropus eine ererbte
Vorstellung anzunehmen ist,
Auf diese Milieu Vorstellung hin sucht nun das Tier
sofort das Wasser auf. Dieser Vorgang ist von der Vor-
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