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Zum Gedächtnis Eduard Zellers.
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Fer d. Christ. Baur*) Auch V hl and fesselte ihn, nicht
nur als Dichter und geistvoller Lehrer, sondern vor allem
auch als charaktervoller und unabhängiger Mensch. Besonderes
Interesse wandte Zeller der griechischen und platonischen
Philosophie zu, überzeugt, daß sie nicht nur an der
Fortbildung, sondern auch schon an der Entstehung der
christlichen Religion einen viel größeren Anteil habe, als
man bisher angenommen hatte. Nach einem glänzenden
Examen mit der schon damals selten gewordenen Note I a
sehen wir Zeller als Vikar in Nellingen und Tübingen und
als Repetenten in den Seminarien Jurach und Ebingen
Yon 1840 bis 1847 war er Privatdozent in Tübingen und
erwarb sich als solcher auch durch seine Veröffentlichungen
den Euhm eines der bedeutendsten Kritiker und Gelehrten
auf theologisch-philosophischem Gebiet. 1847 folgte er einem
Huf als Professor der Theologie nach Bern und er empfand
nach, was sein Freund Friedr. Theod. Vischer einmal
äußerte: „In Schweizerluft eine Zeit lang als tätiger Mann
gelebt zu haben, kein Deutscher von gesundem Geistesnerv
hat es bereut/ Doch fühlte sich Zeller zu sehr als Deutscher,
um in den kritischen Jahren dem Vaterlande länger fern
zu bleiben und nach zwei Jahren nahm er einen Euf als
Professor der Philosophie nach Marburg an. 1862 bis 1872
war Zeller in Heidelberg, dann in Berlin und hier wie dort
hat er bei Zerwürfnissen unter den Professoren und beim
wirren Getriebe der Parteien vielfach ausgleichend, vermittelnd
und versöhnend gewirkt. Bei allem Hin- und
H ertasten der Generation stand er als der stille Mehrer
hachlichen Wissensschatzes. Rühmte man beim einen die
Genialität, beim andern den Scharfsinn, so pries man bei
Zeller die wissenschaftliche Klarheit, — der „klare Zeller*,
und überall, wo er als Lehrer wirkte, war er als eine Zierde
der akademischen Welt anerkannt.
Zweiundzwanzig Jahre blieb Zeiler auf seinem Posten
in Berlin, dann trat er, 80 Jahre alt, um Jüngeren Platz
zu machen, in den Ruhestand und zog sich, noch einmal
mit Orden und Ehren überhäuft, als Wirkl. Geh. Rat und
Exzellenz nach Stuttgart zurück. Im Bewußtsein seines
Alters, aber ohne inneres Alt- oder Veraltet werden lebte er
*) frerd. ( hr. Baur war Fphoms am »Stift« (einem früheren Augustinerkloster
) tmd begründete dort die berühmte »Tübinger historische Theologenschule
«, welche die Urkunden der christlichen Religion nach den Grundsätzen
methodischer Geschichtskritik erforschen lehrte und dann den scharfsinnigsten
Schüler der »Blaubeurer Promotion«, Dav. Friedr. Strauß, der
gleichfalls die Examensriote Ia hatte, zu seinem 183$ als Stiftsrepetent geschriebenen
»Leben J<vu* veranlaßte. — Red.
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