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248 Psychische Studien. XLV. Jaiirg. 6. Heft. (Juni 1918)
nicht sagen, daß ich in ihnen allein schlüssige Identitätsbeweise
erblicke. Aber als langjähnger Experimentator kann ich mich
des Eindruckes nicht erwehren, daß hier Versuche vorliegen von
Trägern vormals menschlicher Persönlichkeiten, unter Überwindung
aller vorstehend geschilderten Schwierigkeiten ihre Identität
zu beweisen.
Für den Forscher sei die Angabe gemacht, daß die Sensitive
mit der in den „Psychischen Studien" 1905, Seite 2 ff. erwärmten
Seherin identisch ist. Aus der Angabe, daß die Sensitive meine
Gattin ist, möge der Leser nicht entnehmen, daß mir etwa daran
liegt, sie größeren Kreisen zuzuführen. Wenn ich aber lan^e
Jahre hindurch in Vorträgen und anderswo zinneist nur die Ergebnisse
dargestellt habe» die ich mit anderen Sensitiven gewann,
so kann ich mir heuie gewiß einmal die Freiheit nehmen, Ergebnisse
mit einer mir so nahestehenden Semiliven kritisch darzulegen,
ohne befürchten zu müssen, daß die berufene Leserschaft dieser
Zeitschrift in meiner Darlegung andere Motive erbückt als die,
unserer Sache zu dienen.
Die Sensitive steht heute im 40. Lebensjahr. Sie entstammt
einer apostolisch-katholischen Familie. Von Jugend auf mit dem
„zweiten Gesicht" Legabt, kam sie doch erst in ihrem 22. Lebensjahr
mit dem Spiritismus in Berührung, Hellhören, Trance, Somnambulismus
warer« zur Zeit meiner Bekanntschaft mit ihr gerade im
rascher Folge eingetreten. In den Jahren 1909 und 1911 hat die
Sensitive schweic Krankheiten überstanden. Im letzteren Jahre
einen von vielen Fachärzten als hotfnuogsk* diagnostizierten
Carcinom d-s Uterus. Der Arzt weiß, daß die Operatiorsmöglich-
keit in einem gewissen Stadium des Leidens davon abhängig ist,
daß der günstige Zeitpunkt zwischen Zerfall und Wiederaufbau
der krankhaften Bildung herausgefunden wird. Das geschah
seinerzeit durch heilhörende Wahrnehmungen der Stimme ihres
„Führers", die überhaupt während des auch dann noch folgenden
jahrelangen Leidens von wohltätigem Einfluß auf die Kranke
waren. Auf Seite 37 ff. meines Buches „Das Fortleben" habe
ich diese Krankheitsgeschichte eingehender dargestellt.*) — Von
physikalischen Erscheinungen sind besonders Klopflaute mit und
ohne Berührung von Gegenstände», sowie direkte Schriften auf
Ruß erwähnenswert. Gegenüber den intellektuellen bleiben die
physikalischen Erscheinungen aber doch von untergeordneter Bedeutung
, weil die letzteren nur zeitweilig und immer nur in verhältnismäßig
kurzen Epochen von wenigen Monaten auftraten.
Regelmäßige Sitzungen habe ich mit der Sensitiven seit vielen
Jahren nicht mehr veranstaltet. Die Notwendigkeit für solche ergab
sich um so weniger, als die meisten Erscheinungen intellektueller
Art fast ausschließlich spontan auftraten. (Schluß folgt.)
•) Zu beziehen durch Oswald Matze, Leipzig, geh. M, 2.50.
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