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264 Psychische Studien. XLV. Jahrg. 6. Heft. (Juni 1918.)
gelehrsaiukeit wird wenig bedeuten, da sie ihre vollkommene
Unkenntnis der Sache mit deren „Nichtexistenz* verwechselt.
Nicht nur Kepler und Newton waren Astrologen, und
Newton hat ebenfalls astrologische Traktate hinterlassen,
sondern gerade auch Fraueis Baeon-Tudor hat als der wahre
geheime Shakespeare-Dichter und in seinen sonstigen vielen
Pseudonymen Poesien der Astrologie weitgehend gehuldigt
und sie auch in seinen Essays und anderen philosophischen
Prosaschriften von demselben sozial-aristokratischen Standpunkte
verteidigt, wie sein Ulysses in „Troilus & Cressida*
Akt I. H. einen ganzen Vortrag über die Parallele der Ordnung
am Planeten-Himmel und im Staate hält mit guter
Kenntnis der astrologischen Fach ausdrücke.
Mögen die umständlichen Schwierigkeiten de** Sache
hinderlich sein, mögen die landläufigen Liebhaber und Astrologen
oft oberflächliche Versuche liefern und sich mit allzu
grosser Sicherheit in der Deutung der Tatsachen geberden,
so wird docü diese kosmische Verknüpfung ein bedeutsames
Erkenntnisgebiet bleiben. Die Gebundenheit der Schicksale
, wegen der sich Mancher gegen die Astrologie sträubt,
besteht ohnehin durch vielfach anderweite Fingerzeige von
Vorahnungen, prophetischen Träumen, zeitlichem Hellsehen
und selbst in allerlei vulgären, man tischen Praktiken; astrologisch
erhalten wir dazu nur eine weitere astrale urd mathematische
Unterlage, worin auch das individuelle Belieben,
eben die »Freiheit* des Willens ihren Ausdruck und Reflex
findet.
Experimentelle Philosophie
Von Hanna Vogt-Vilaeek, Gauting-München.
Als ich vor einigen Jahren dieses Wort zum ersten-
male und da nur als Idee hörte, schien mir der Sinn widerspruchsvoll
genug, um das Wort selbst als ungereimt zu
empfinden. Denn ich konnte mir überhaupt nicht denken,
wie denn das betr. Experiment angewendet werden .-oll.'e,
um konstatieren zu können, daß die belr. philosophische
Tdee richtig sei. Zwar der Betreffende wußte es nach meiner
Erinnerung auch nicht, aber er hatte die Meinung, daß eine
„ experimentelle Philosophie * allein im Stande sei, die
Menschheit unter eine gemeinsame Weltanschauung zu
bringen, im Gegensatze zu jetzt, wo die Philosophie ihre
Bekenner in die verschiedensten Lager und Klassen teilt.
Damals gab mir die Sache aber dennoch viel zu denken
und ich fand trotz der scheinbaren Ungereimtheit, daß
dieser Gedanke doch nicht so unmöglich sei, als es auf den
ersten Blick hin den Anschein habe. Als ich jedoch später
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