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Vogt-Vilseck: Experimentelle Philosophie.
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Nachtrag. In München ereignen sich wieder allerhand
Dinge, welche die Spiritisten wie die wissenschaftlichen
Forscher interessieren dürften. Am 17. April hielt hier
Adam Rambacher im Bayerischen Hof einen Vortrag
über Spiritismus, Astrologie, Okkultismus, Theosophie und
Anthroposophie. Da Rambacher ein gewisses Ansehen genießt
, welches allerdings mehr negativ ist, so konnte es
natürlich nicht fehlen, daß er ein volles Haus bekam. In
diesem Vortrage aber brachte er über alle Themen so merkwürdige
Anschauungen, so schiefe Behauptungen vor, daß
sich der Unwille des erschienenen Publikums in den schärfsten
Ausdrücken Luft machte. Man fühlte sich betrogen, denn
Rambacher brachte nur subjektiv verschrobene Ansichten,
von einem Eingehen auf das Thema selbst, oder gar von
einem Bericht über das Ergebnis der neuesten wissenschaftlichen
Forschungen konnte gar keine Rede sein. Unter
solchen Umständen, zumal Herr Rambacher aber auch jede
Diskussion verhinderte (er ließ nur Fragestellung zu und
war dann gar nicht in der Lage, auch nur die allerein-
fachsten Fragen zu beantworten), veranstaltete ich im Interesse
meiner Gemeinschaft „Die Sucher* am 23. April einen
Gegenvortrag, in welchem ich nicht nur die Anschauungen
des Herrn Rambacher entsprechend beleuchtete, sondern
auch seine Arbeit auf diesem Gebiete einer verdienten
Kritik unterzog. Leider zog es R. vor, an diesem Abend
nicht zu erscheinen (er äußerte sich zu Freunden, er liebe
es nicht, sich „hinauswerfen zu lassen*, scheinbar leidet er
noch an der Erinnerung vom 2. Januar d. J.), aber gestern
veranstaltete er im Bayerischen Hof wiederum einen so-
genannten „Experimental-Abend", den er allerdings schon
vor acht Tagen angekündigt hatte, mit dem Hinweis, daß
Licht läßt sieb nicht mehr länger in seinem Siegeszuge aufhalten. Wieder
einmal gebiert sich die Finsternis das Licht und diesem Vorgange mit Bewußtsein
und langsamem Wahrnehmen zusehen zu dürfen, das ist für mich
oit geradezu hinreißend. Denken Sie nicht, daß ich schwärme, dazu bin ich
efn zu nüchtern denkender Mensch. Aber hier ruhig und gemessen zu
bleiben, wäre ein schiechtes Zeugnis für meine Empfindungswelt, die sich
unerfreulich vor einer aufsteigenden Herrlichkeit verschließen würde, könnte
nie sich da nicht gebührend begeistern. Alles, was sich der vorwärts
schreitende und drängende Mensch nur wünschen kann, enthält diese neu
aufsteigende Lichtwissenschaft. Wenn sie sich ersi mitten im Aufstiege befindet
, was vielleicht am Ende meiner Tage sein wird, so werde und kann
ich mit Simeon freudig ausrufen: „Ich danke Dir, o Herr, nun lässest Du
Deine Dienerin in Frieden fahren, denn meine Augen haben das Licht gesehen
, das der Welt den Frieden bringen wird!" - Wir freuen uns, daß
die Gemeinschaft ,.Der Sucher** sich in aufsteigender Linie entwickelt und
wünschen den Experimenten durch Sachkundige bestätigte Erfolge. — Red.
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