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Vogt-Vilseck : Experimentelle Philosophie. *27B
Nun war die Woche vorher Herr N o r d b e r g*) aus Graz
in München gewesen, der drei sehr gute und sachliche
Vorträge gehalten hatte. Auch dieser Herr war bei den Experimenten
Rambachers anwesend, aber schließlich ging er
mit mir aus der Menge und sagte mir, er sei der ganz bestimmten
Ansicht, daß hier geschwindelt werde. Er habe
besonders die eine Dame, welche allersdings mir abgewendet
saß, beobachtet und deutlich gesehen, wie sie fortwährend
mit ihrer Partdame mimische Zeichen wechselte, wobei sie
selbst das Lachen kaum unterdrücken konnte. Er sei überzeugt
, daß die eine Dame bewußt und die andere, offenbar
sehr hysterische Dame unbewußt schwindle. Tch forderte
Herrn Nordberg auf, dies doch den Anwesenden zu sagen,
er war jedoch nicht dazu zu bewegen, denn er wollte als
Fremder keinen Skandal heraufbeschwören, gab mir jedoch
das Recht, seine Angaben zu verwerten, wie es mir gut
dünke. Ohne Zweifel waren die beiden Damen, welche
experimentierten, von dem Inhalte ihrer Taschen unterrichtet
gewesen, denn man kennt ja Rambacher's Gepflogenheit
zur Genüge, stets und immer wieder dieses Münzenexperiment
zu machen. Als R. nachher ein andere? Experiment
mit einer aufgeschriebenen Zahl machte, versagten
die beiden Damen vollständig. Zudem war die Anlage des
Experimentes schon eine derartige, daß man eine richtige
Antwort kaum erwarten konnte.
Herr Rambacher gibt sich der Polizei gegenüber immer
für einen wissenschaftlichen Versuchsarbeit er aus, um sich
halten zu können. Er hat aber von streng wissenschaftlicher
und objektiv disziplinirter Experimentalarbeit keinen
blassen Schimmer. Schon der helle Jubel, in den er ausbricht
, wenn ihm scheinbar etwas glückt, ohne nachher zu
untersuchen, ob er nicht doch betrogen wurde! Und dann
sein Bestreben, ja keine Frage zuzulassen, welche seiner
Arbeit unbequem werden könnte.
Interessant ist vielleicht auch noch ein Vorfall, der
sich zu Beginn der Sitzung zutrug. Jeder der Anwesenden
mußte „auf Ehrenwort* erklären, daß er ein Mitglied der
„zeitgemäßen Vereinigung für Volksaufklärung* sei; er
mußte sich ferner verpflichten, zu bekennen, daß er als
Lernender hier sei. Als er nun dieses Ehrenwort allen
Anwesenden vorsprach und uns aufforderte, seine Worte
still für uns zu wiederholen, da stand ich auf und weigerte
mich, seinem Ansinnen nachzukommen. Als R. meinen Widerstand
erfuhr, ging ihm das wider die Natur und er sagte,
*) Wir bringen im ßächsten Heft einen Auszug aus diesen Vorträgen. —
Red.
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