http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1918/0355
Seiiing: Alban Stolz und der Okkultismus.
351
In dem unter dem Titel „Wilder Honig" herausgegebenen
Tagebuch finden sich die folgenden Berichte und treffenden Auslassungen
. Eine alte Schwarzwälderin erzählte Stolz (im Mai
1853), „einer ihrer Söhne habe als Muttermal die Seitenwunde
Christi an der Brust. Dieses sei dadurch geschehen, daß sie
während der Schwangerschaft oft ein schönes* neues Schnitzbild,
die Auferstehung Christi darstellend, betrachtet habe. Wenn nun
die Betrachtung der Schwangeren auf das Kind wirken und Stigmata
erzeugen kann, so muß solche Wirkung auch am eigenen
Leib möglich sein. Demnach mag die Erscheinung der Stigmata
bei manchen heiligen Personen, die sich anhaltend in das Leiden
Christi versenken, auf ähnlichem Naturgesetz beruhen, wie die
Erscheinung der Muttermäler."
Im Oktober 1849 macht Stolz den folgenden Eintrag:
„Gestern erzählte mir Pfarrer B. in R: Sechs Wochen vor Pfingsten
sei in der Nacht, wahrend er wachend im Bett lag, die Zimmertüre
aufgegangen und seine Schwester habe ihn einigemal ge-
rufen. Er sei aufgestanden und in ihr Zimmer gegangen, wo er
sie schlafend antraf. Drei Wochen nachher geschah ganz dasselbe
; da aber dazumal seine Mutter auf Besuch gekommen war
und im Zimmer seiner Schwester lag, bezeugte die Mutter, daß
diese weder gerufen, noch aufgestanden sei. Drei Tage vor
Pfingsten geschah noch einmal dasselbe, nur mit dem Unterschied,
daß der Pfarrer diesmal nicht aufstand. Zu Pfingsten kam sein
Bruder auf Besuch. Die Schwester ging während des Essens in
die Küche hinaus, um weiter aufzutragen, wurde aber gleich
darauf tot auf dem Boden liegend gefunden. Sie war an einem
aufgebrochenen Herzgeschwür gestorben. — In dieser Geschichte
wird es wahrscheinlich, daß die Seele auch Handlungen ausübt,
ohne daß sie Bewußtsein und Erinnerung davon hat. Es war die
Seele oder der Geist des Mädchens, was den kommenden Tod voraus
empfand, und denselben in rhythmischen Zeitdistanzen dem
Bruder ankündigte; dennoch wußte sie selbst nichts von dem, was
während des Schlafes ihr Geist getan hat. Vielleicht ließe sich
auch finden, daß niemals Erzeigungen vorkommen, während das
Erzeigende Bewußtsein hat, also nur vorkommen im Schlaf, während
des Sterbens, in einer Ohnmacht, oder doch momentaner Bewußtlosigkeit
oder Zerstreutheit.**
Über einen anderen Fall von Todesahnung schreibt er im
November 1853: „Als ich diesen Morgen im Konvikt die Heilige
Messe lesen wollte, sagte in der Sakristei M. ohne allen mir bewußten
Anlaß, und während er bei dieser Gelegenheit nie mit
mir redet, ob ich nicht schwarz, d. h. eine Seelenmesse lesen wolle.
Obschon die Farbe des Tages im Meßornat schon aufgelegt war,
ließ ich wechseln mit schwarz* und las in der Intention für alle
Verstorbene, die mich etwas im Leben angingen. Auf den Ab-
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1918/0355