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364 Psychische Studien. XLV, Jahrg. 8.-9. Heft (Aug.-Sept. 1918).
der Märtyrer Gervasius und Protasius Augustin erzählt
selbst, dass während seines Aufenthaltes in Mailand der
Bischof Ambrosius Äper visum* auf die völlig in Vergessenheit
geratene Grabstätte der beiden Märtyrer aufmerksam
gemacht wurde, während Ambrosius dies Ereignis brieflich
der Marcellina mitteilte.6) Durch jenes Gesicht veranlasst,
liess er an einer Stelle vor den Toren Mailands nachgraben
„ et invenimus mirae magnitudinis viros duos . . . ossa omnia
integra, sanguinis plurimum . . . avulsum humeris! caput.
Bei der feierlichen Bestattung in der Basilika, die von
Ambrosius jüngst erbaut worden war, hielt er selbst die
Grabrede.7) Auch der Biograph des hl. Ambrosius, der
Diakon Paulinus, berichtet in seiner vita Ambrosii über
das Ereignis als Augenzeuge. Die Auffindung fällt in den
April 386, während das Martyrium wahrscheinlich unter
Kaiser Domitian erfolgt war. Möglicherweise hat aber
Augustin wenigstens indirekt jenes Ereignis gestreift, wenn
er sagt, es gebe Erscheinungen, die etwas aussagten, das
sich als wahr herausstellt. Da nimmt er dann seine Zuflucht
zur Hypothese, dass es Engel seien, die solche Erscheinungen
bewirken. Viel ansprechender ist uns die von
Hieronymus geäusserte Ansiebt, mit der er das Wissen der
Jenseitigen um die Dinge der Welt erklären will * j, dass sie
nämlich in gewisser Weise an der Allgegenwart und dem
Wissen Gottes teilnehmen. Darin besteht die Glorie ihrer
Erhöhung und Verklärung, Hieronymus sieht also die
Lösung in der Erhöhung der geistigen Kräfte, die nun zur
Natur der Seligen gehört, braucht daher keine Engel als
Vermittler, noch eine jedesmalige spezielle Offenbarung
durch Gott selbst. Wir Modernen würden sagen, die Jenseitigen
können durch telepathischen Rapport, wie er ja
nachweisbar auch unter Lebenden verbürgt ist, von den
Wünschen jener noch auf Erden weilenden Seelen wissen,
die sich den Jenseitigen zu nähern suchen. Darauf beruht
auch die Uebung der Heiligenanrufung in der kathol, Kirche.
In dem von Augustin zitierten Fall jenes Wahrtraumes,
die Auffindung der Quittung betreffend, kann es sich
allerdings um eine rein subjektive Vision handeln, die jener
junge Mann infolge seiner angstvollen Erregung hatte und
die nachherige Auffindung der Quittung kann auf einem
glücklichen Zufall beruhen; aber jene Vision könnte doch
auch auf eine reale Einwirkung des Verstorbenen zurück-
u) epist. 22. Auch Ambrosius spielt auf eine gehabte Erscheinung an,
7) Vgl. Migne ser. Jat. 16 S. 1019 ff.
h) In s. Schrift „Contra Vigilantiumu cap. 6.
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